Mitten im Atlantik, direkt am Äquator trifft die „Meteor“ die „Polarstern“. Zeit für einen Ergebnissaustausch und gegenseitigen Schiffsbesuchen.

„Der Mensch muss das Gute und Große wollen. Das übrige hängt vom Schicksal ab.“ (Alexander von Humboldt)

S 0°00'00" / W 23°00'25". Es ist 19:48 Uhr auf der Brücke unserer "Meteor". Ich habe meinen Schreibplatz in eine kleine Ecke auf die Brücke verlagert: Vor mir steht eine Kaffeemaschine, die kurzweilig durch das Licht einer kleinen Tischlampe erhellt wird.

Eine "Schattengestalt" setzt neuen Kaffee auf. Hinter der Kaffeemaschine verschwindet das Brückenfenster und der Atlantik im Dunklen: Wenn ich mich anstrenge und meine Augen zusammenpresse, sehe ich den Vormast mit einer kleinen Toplaterne.

Es nieselt in den kleinen Lichtpunkt der Laterne hinein: Wenn ich nach rechts schaue, wird manchmal das Licht unseres Kartentisches im Hintergrund von dem wachhabenden Offizier angeschaltet. Ansonsten wirkt das Brückensystem durch viele kleine Lampen als Informationszentrum in der Nacht wie eine Schar von Katzen, die ihre Augen blitzen lassen.

Wir kreuzen immer noch auf dem Äquator, um die nächsten Stationen der ambitionierten Pläne der wissenschaftlichen Ausfahrt zu erfüllen.

Vor zwölf Stunden trafen wir das Forschungsschiff "Polarstern" auf dem Transit nach Punta Arenas mitten auf dem Äquator. Die Schlauchboote wurden zu Wasser gelassen. Zwei "Wissensgesellschaften" tauschten neue Ergebnisse aus und besuchten sich gegenseitig auf ihren Schiffen. Das Arbeitsdeck erinnerte an eine kleine Flaniermeile. Der Meteorologe Andreas Macke (IFM-Geomar), zurzeit Fahrtleiter auf der Polarstern, und unser Fahrtleiter der physikalische Ozeanograph Peter Brandt (IFM-Geomar) besprechen ihre Arbeit. Während die "Meteor"-Besatzung sich für das Geschehen in der Tiefe interessiert, blicken ihre Kollegen auf der "Polarstern" vor allem in den Himmel.

Abwechslung bei der täglichen Routine: Ein Anruf vom Radiosender 90,3 aus Hamburg: Wir stehen vor einem Handytelefon mit Kapitän Baschek und reden mit einer netten Stimme, die einige Fragen über das Rendezvous auf dem Äquator stellt. Wir haben keine großen News zu berichten, höchstens ein friedliches Symbol:

Beide Forschungsschiffe begegneten sich das letzte Mal im Jahr 2002 auf dem Äquator. Wann das wieder vorkommen wird, steht genauso in den Sternen, wie die Frage, wann sich die "Meteor" einmal wieder im Hamburger Hafen blicken lässt.

Der Äquator ist eine gedachte Linie, die sich wie ein Gürtel um unsere Erde schnallt. Bei Globusproduktionen werden hier die Nähte für die beiden Halbkugeln gesetzt. Charmanterweise sieht die Erde dann nicht so zerbrechlich aus, sondern eher stolz:

Es gab ja auch schon Betrachter, die kauften sich Globen - größer als sie selbst- und fummelten vor ihren Besuchern an anderen Kontinenten und Meeren herum. Das machte viel Eindruck auf die Gäste, aber auch Angst. Und zuweilen rollten ganze Armeen über die echte Erde, um die Länderfarben auf dem Globus zu ihren Gunsten zu verändern.

So sind es erst gedachte Linien und Imaginationen in den Köpfen der Menschen:

Unser Denken hat aber immer auch eine Konsequenz für die Menschen oder gar für ganze Völker, ohne das wir dieses gleich erahnen.

...---...---...You were born...---...---

...---And so you are free---...---...

Vom ersten Moment an hast Du wahrscheinlich schon irgendeinen Fehler in Deinem Leben gemacht, selbst wenn Du nur braune Farbe in die Babydecke setzt:

Wenn wir uns heute auf dem Äquator getroffen haben, so müssen wir uns auch die Frage stellen, welchen Tanz wir hier aufführen. Hier ist zwar kein Vulkan, aber eine gedachte Linie, die immer empfindlicher wird. Unser Land, ja unser ganzer Planet, sitzt gerade in einer ziemlichen Krise. So sind die Begegnungen unserer beiden "Wissensgesellschaften", umso wichtiger: Keine Helden auf der Brücke, keine Blaskapelle auf dem Arbeitsdeck, sondern Arbeitsgeräte und Signalgeber aus dem Atlantik, die wir in friedlicher Absicht gesetzt haben. Keine Luftschlösser mit fatalen Folgen, sondern meteorologische Messungen, die uns der Erde samt seiner Fragilität etwas näher bringen werden.

Ich denke, wir sind dazu verurteilt wordenm eine globale Wissensgesellschaft zu werden und die dumpfen Sprüche vor den Globen, die es auch heute noch manchmal gibt, klingen im schneller wachsenden Datenstrom immer lächerlicher und unverschämter.

Andreas Macke und Peter Brandt liegen wahrscheinlich gerade in Ihren Kammern: Ein guter Tag für die Wissenschaft, aber diesen haben sie sicher schon wieder ad acta gelegt: Denn in 3900 Meter Tiefe unter ihnen, arbeiten die gesetzten Verankerungen für ihre Gehirne, und es wird recht einsam um sie, wenn wir sie nicht immer mehr zu Wort kommen lassen.