S 02° 00' 00.00" / W 023° 00' 00.00". Heute war ich "Backstage". Nein, wir hatten natürlich kein Konzert an Bord. "Backstage" ist für mich der Laborbereich der "Meteor". Denn was sich hier hinter der großen Bühne des Arbeitsdecks abspielt, ist entscheidend für unser Wissen über die Meere, für Nicht-Wissenschaftler manchmal aber auch ein wenig schwindelerregend. Jetzt rächt es sich, dass ich früher in Chemie nicht besser aufgepasst habe.

Über die Meere wissen wir alle immer noch viel zu wenig. Vom Ufer aus betrachtet sieht es ja auch immer noch ganz gesund und kräftig aus, das Meer. Wir blicken auf das ewige Auf und Ab der Wellen, jede in ihrem Heranrollen einzigartig, und freuen uns über die Schönheit der Ozeane. Wie aber sieht es tief im Innern aus? Was verraten uns die vielen Wasserproben, die wir hier mit dem Kranzwasserschöpfer aus verschiedenen Tiefen der Wassersäule an Bord holen.

Wir wollen zum Beispiel wissen, wie viel Kohlenstoff im Ozean ist. Kohlenstoff ist der wichtigste Baustein des Lebens. Ohne ihn, gäbe es weder uns, noch Bleistifte oder Diamanten. Das heißt es gibt organischen Kohlenstoff (Pflanzen, Menschen, Tiere etc.) und anorganischen (Kohlendioxid, Graphit, Diamanten etc.). Und im Kohlenstoffzyklus zwischen Atmosphäre, physikalischer Umwelt und den Lebewesen spielen gerade die Weltmeere eine Schlüsselrolle.

Sebastian Fessler vom IFM-Geomar zeigt mir ein Gerät mit dem beinahe unaussprechlichen Namen "Single-Operator Multiparameter Metabolic Analyzer for Total Carbon Dioxide with Coulometric Detection". Wissenschaftlern mag das locker über die Lippen gehen, aber versuchen Sie mal dieses Wortungetüm zweimal hintereinander auszusprechen, noch dazu, wenn Sie den Sinn auf den ersten Blick so gar nicht durchdringen können. Halte mich also lieber an die Kurzform: SOMMA.

Dieses SOMMA ist eines der wichtigsten Geräte hier im Labor. Es wird zur automatisierten Messung des im Wasser gesamt gelösten anorganischen Kohlenstoffs eingesetzt. Zuvor aber muss das gelöste Kohlendioxid aus einer bestimmten Menge Meerwasserprobe ausgetrieben werden. Das geschieht durch eine Ansäuerung mit Phosphorsäure. Das frei werdende Kohlendioxid wird in die Messzelle des so genannten Coulometers geleitet. Dort verbindet sich das Kohlendioxid in der Kathodenlösung, die sich dabei chemisch verändert. Das Coulometer erkennt und misst diese Veränderung auf elektrochemischen Weg.

Warum das wichtig ist? Gerade in nährstoffarmen Regionen wie hier im subtropischen Atlantik, ist es äußerst interessant, ob und wie sich der Kohlenstoffgehalt ändert. Denn vor allem die riesigen Staubeinträge aus der Sahara mit ihrem Düngungseffekt haben eine hohe Bedeutung für marine Mikroorganismen und die Fixierung von CO 2 im Ozean.

Wieviel CO 2 aber kann das Meer überhaupt noch aufnehmen? Denn das von uns in die Atmosphäre "gepumpte" Kohlendioxid (Autoabgase, Fabriken etc.) bleibt nicht einfach irgendwo in der Luft hängen, fast die Hälfte davon löst sich im Meer und beeinflusst so das Karbonatsystem im Ozean. Und zweidrittel unseres Planeten ist mit Wasser bedeckt. So gelangt das Kohlendioxid aus der Atmosphäre ins Wasser und wird mit den Strömungen um die ganze Erde transportiert. Das ist einerseits gut, weil wir einen Teil dieses Treibhausgases auf natürlichem Wege losgeworden sind, aber leider ist die Aufnahmefähigkeit der Ozeane begrenzt und mit der Erwärmung der Meere kann auch wieder mehr CO 2 in die Atmosphäre zurück gelangen. Viel schlimmer noch: Zuviel Kohlendioxid macht das Meer sauer, oder chemisch ausgedrückt der pH-Wert sinkt.

Eine Veränderung der Weltmeere ist bereits messbar: Der pH-Wert des Oberflächenwassers ist von 8,2 im Mittel um 0,1 Einheiten gesunken. Wenn die weltweiten Kohlendioxid-Abgase unverändert weitersteigen, schätzen die Kieler Wissenschaftler, dass der pH-Wert der Meere um weitere 0,4 Einheiten bis zum Jahr 2100 absinkt. Der Meerwasser-pH-Wert wäre damit vermutlich niedriger als während der letzten 20 Millionen Jahre.

Wie können wir feststellen, ob das Meer noch in der Lage sein wird, unser ganzes Kohlendioxid zu verdauen? Einen gewissen Puffer gibt es immer. Der scheint aber langsam ausgereizt. Sie kennen bestimmt diese kleinen Papierstreifen, mit denen Sie zuhause den ph-Wert ihres Wassers messen können, damit Kaffee- oder Waschmaschine nicht verkalken. Ähnliches passiert hier im Labor. Nur sind die Messungen sehr viel komplexer. Mit einem Gerät namens "Versatile Instrument for the Determination of Titration Alkalinity" (VINDTA) wird aus einer Meerwasserprobe die oben angesprochene Pufferkapazität (Alkalinität) ermittelt. Herr Fessler erklärt mir: "Durch stufenweise Zugabe kleiner Mengen an Salzsäure messen Elektroden kleinste Veränderungen des pH-Wertes der Meerwasserprobe. Das Meerwasser kann je nach gelöstem Karbonatgehalt eine gewisse Menge an Säure puffern. Das bedeutet, der pH-Wert ändert sich trotz Ansäuerung nicht. Erst wenn diese Pufferkapazität erschöpft ist und der pH-Wert aufgrund der Säure sinkt, kann man Rückschlüsse auf den jeweiligen Karbonatgehalt ermitteln."

Die Folgen der Ozeanversauerung und des damit einhergehenden sinkenden Karbonatgehaltes sind verheerend. Denn Karbonat ist der wichtigste Baustein für alle Kalk bildenden Organismen. Und ist zu wenig Karbonat vorhanden, können zum Beispiel Korallen, Muscheln und Schnecken weniger Kalk produzieren und es kommt zu Fehlbildungen. Sind ja nur kleine Tierchen könnte man meinen, aber gerade diese kleinen Tierchen sind oft die Basis der Nahrungskette in den Ozeane und viele Meeresbewohner - und damit in letzter Konsequenz auch wir Menschen - sind von ihnen abhängig.