Eigentlich wollte Peter Brandt, 1966 in Merseburg geboren, Mathematik studieren. Aber das reine Spiel mit Zahlen war ihm dann doch zu nüchtern.

"Einmal wissen dieses bleibt für immer,
ist nicht Rausch, der schon die Nacht verklagt,
ist nicht Farbenschmelz noch Kerzenschimmer. . ."
(City, "Am Fenster")

N 04° 30' 00.00" / W 023° 00' 00.00". Am Morgen des 31.10. mitten auf dem Atlantik nehmen wir die nächste Verankerung mit Messinstrumenten auf. Langsam nähern wir uns der Kopfboje, um die nächste Perlenkette des Wissens an Bord zu holen. Peter Brandt, der wissenschaftliche Fahrtleiter unserer Expedition, lehnt sich über die Reling und schaut auf den Atlantik hinaus.

Eigentlich wollte Peter Brandt, 1966 in Merseburg geboren, Mathematik studieren, aber er kam zu der Ansicht, dass das reine Spiel mit den Zahlen zu nüchtern für sein Leben sei. Mag auch sein, dass er, heute Professor für Experimentelle Ozeanographie am Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, die mathematische Ungleichungen des DDR-Regimes nicht durchdringen konnte, sie schlichtweg für zu nüchtern und nicht mehr lernfähig hielt und daher in eine Welt der Bewegung aufbrach.

Mag auch sein, das Peter Brandt, der die mathematischen Formeln für sein Wissensgebiet so dringend braucht, an einem Fenster in seinem Elternhaus saß und weit über die Mauer hinaus in den Atlantik schaute, um sich diesem in seinem Leben zu verpflichten.

Bis 1989 besuchte er die Martin-Luther-Universität in Halle und studierte Physik. Nach dem Fall der Mauer ging er nach Hamburg und widmete sich der physikalischen Ozeanographie. Seine Doktorarbeit wurde von der Universitäts-Gesellschaft Hamburg als beste Doktorarbeit in den Geowissenschaften 1996 ausgezeichnet. Verschiedene Stationen folgten. Nach der Habilitation erlangte er 2007 in Kiel seine Professur.

Als wir uns das erste Mal in seinem Institut trafen, musste ich adhoc an den Film "A Beautiful Mind" mit Oscar-Preisträger Russel Crowe denken. Jener Film, der die Lebensgeschichte des hochbegabten Mathematikers John Forbes Nash so eindrucksvoll skizzierte. Keineswegs aber, weil mich Peter Brandt an einen verrückten Professor erinnerte.In unserem ersten Gespräch sagte er auch gar nicht sehr viel, aber ich spürte, dass er wohl zu den wenigen Menschen gehört, die in Formeln denken und in ihnen eine Schönheit sehen, die für viele Menschen unsichtbar ist.

Vor mir saß also ein eher zurückhaltender Mensch, der die Turbulenzen, Wellen, Wind- und Dichtegetriebenen Strömungen durch seinen Kopf ziehen lässt, um nach neuen Ansätzen bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu suchen. Seine Datenströme basieren überwiegend auf Temperatur, Salzgehalt, Strömung, Schallgeschwindigkeit und Lichtdurchlässigkeit in den Meeren und schnell kann einen das Gefühl beschleichen, das hier ein Mensch sein eigenes Wissensmeer im Kopf lebt: Peter Brandt aber kann teilen, und seine Denkansätze finden ihre Verankerung in der diplomatischen Moderation eines Teams von exzellenten Wissenschaftlern. Und der Erfolg einer jeden Expedition gründet letztlich auch auf dieser "Balance of minds".

"Einmal wissen dieses bleibt für immer": Der junge Professor möchte mehr über die Ozeane sammeln, um vielleicht auch die eigene Geschichte besser verstehen zu können. Sich abarbeiten - nicht zurückgezogen im vielzitierten Elfenbeinturm der Wissenschaften, sondern gemeinsam mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen auf die Suche gehen, um die Zukunft zu gestalten. Denn die Ozeane spielen eine Schlüsselrolle bei der künftigen Entwicklung des Weltklimas. Grundlagenforschung ist wichtig, denn wir wissen noch immer viel zu wenig über das hochkomplexe Wechselspiel von physikalischen, chemischen und biologischen Prozessen in den Weltmeeren.

Die Mauer ist längst gefallen, es liest jemand diesen Blog und er kann es mit dem Gefühl der Freiheit tun: Manchmal auch "am Fenster", auf einem Schiff im Atlantik.