Natürlich gab es angesichts dieser Perspektiven im Laufe der Jahrzehnte Dutzende von Firmen im Hamburger Raum, die sich der Kautschukindustrie widmeten. Mit der Phoenix und der NYH beleuchtet das Museum der Arbeit zwei der traditionsreichsten Geschichten. In der Weichgummibranche gelang es etwa der Phoenix, die 1856 als "Albert & Louis Cohen Harburg - Schuhfabrik" begann, gleich in ihrem Aufbaujahr rund 140 der 5000 Harburger zu beschäftigen. Gut 110 Jahre später arbeiteten hier 9000 Menschen. Und auch die Wurzeln der NYH enthüllen eine spannende Geschichte, liegen sie doch in der 1856 eröffneten Harburger Gummi-Kamm-Compagnie - der ersten Hartgummifabrik Deutschlands. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Compagnie machten sich 1870 in Barmbek mit der NYH selbstständig, die schließlich 1930 die Harburger Gummi-Kamm-Compagnie übernahm. In dem ehemaligen Barmbeker Firmengelände der NYH sitzt heute übrigens das Museum der Arbeit.

Ein sehr authentischer Schauplatz also, dem die Ausstellung "Gib Gummi!" weitere Relikte aus der bewegten Historie von Phoenix und NYH hinzufügen konnte. So stellten beide Firmen für die Schau unter anderem Maschinen wie einen Vulkanisationskessel oder ein Prüfgerät zur Verfügung, mit dem man in der Fabrik die Elastizität des Gummis testet. In einem kleinen Versuch können die Besucher selbst ausprobieren, wie aus Baumsaft Kautschuk gewonnen wird. Neben einer Auswahl an Produkten aus der Gummi-Wunderwelt werden außerdem etwa die Fertigungsschritte der Kamm- oder Schlauchproduktion erklärt. Mit selbst produzierten Industriereportagen erzählt das Museum nämlich filmisch von den Menschen, der Geschichte und den Arbeitsbedingungen bei Phoenix und NYH.

Die Ausstellung zeichnet dabei das Bild einer Branche, die sehr viel mehr Facetten hat, als man dem Material Gummi spontan zutraut. Gleichzeitig zeigt sie, wie sehr die modernen Zeiten die Kautschukindustrie verändert haben. Bei der Phoenix, die schon seit Jahrzehnten statt Reifen unscheinbare Dinge wie Automobilschläuche herstellt, arbeiten heute nur noch etwa 1600 Menschen, bei der NYH 200. Beide Firmen sind heute vor allem Zulieferbetriebe. Denn die hart umkämpfte Kautschukindustrie hat sich in den letzten 100 Jahren zunehmend auf einige wenige Größen konzentriert. Und dabei ist auch die Produktvielfalt des Kautschuks verloren gegangen. In der Kammproduktion ist die kleine NYH heute jedenfalls die weltweit letzte Firma, die in relativ hoher Stückzahl Hartgummikämme herstellt.

  • Museum der Arbeit , bis 15. 4. 2007. Wiesendamm 3, mo 13-21, di-sa 10-17, so bis 18 Uhr, Buch 14,90 Euro.