Der Große Brand und die Stadt der Auswanderer auf 600 Quadratmetern

Der Kulissenmaler ist fast fertig. Schwarze Balken, eine angedeutete Ruine und darin eine original Feuerspritze und ein Wasserwagen erinnern bald im Hamburgmuseum an ein Ereignis, das die Einwohner der Hansestadt vom 5. bis zum 8. Mai 1842 ereilte und nachhaltig erschütterte: den Großen Brand. Diese Inszenierung erwartet den Besucher, wenn er den neu gestalteten Abschnitt der Dauerausstellung betritt, der Ende Februar eröffnet wird.

Aus unbekannter Ursache brach der Brand damals im Haus Nummer 42 in der Deichstraße am Nikolaifleet beim Cigarrenmacher Cohen aus und zerstörte weite Teile der Altstadt. Nur 51 Menschen kamen ums Leben, doch 20 000 verloren ihr zu Hause; etwa 1700 Häuser, darunter drei Kirchen, in 41 Straßen fielen den wütenden Flammen zum Opfer. Vom Feuer beschädigte Teller, Tabatieren, Schüsseln und Keramiken erinnern an die Wucht der Hitze, ein topografisches Modell zeigt den Besuchern, wo der Brand ausbrach. Weil das Museum über viele Exponate aber nur über begrenzten Raum verfügt, vertieft eine Power-Point-Präsentation von Gemälden und Grafik den ersten Eindruck von der damaligen Katastrophe. Davon, dass die Menschen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erfinderisch waren, wenn es darum ging, die nötigen Mittel für den Wiederaufbau der Stadt aufzutreiben, zeugen Sammeltassen mit Brandmotiven. Die Einnahmen aus dem Verkauf galten der Gestaltung einer modernen Hansestadt. Danksagungen an andere Länder für Hilfe beim Wiederaufbau schließen dieses Kapitel hier ab.

Der größte Teil der 600 Quadratmeter ist jedoch "Hamburg als Auswandererstadt" gewidmet. Rund 900 000 Euro hat das Museum dafür parallel zur Ballinstadt erhalten. Die Ausstellungen sind thematisch aufeinander abgestimmt: "Sie ergänzen sich gegenseitig", betont Dr. Carsten Prange, wissenschaftlicher Abteilungsleiter für Wirtschafts-, Sozial-, Verkehrs- und Technikgeschichte, der mit seinem Kollegen Dr. Ralf Wiechmann und den Gestaltern Volker von Baczko, Christoph Weyers und Lichtplaner Thomas Notholt die Abteilung am Holstenwall betreut. In einer Rotunde trifft der Besucher auf Schiffsmodelle, die für verschiedene Etappen der Auswanderung stehen. Zu sehen ist neben vielen anderen der Auswanderersegler "Deutschland" der 1847 gegründeten Hapag. Statt über englische Zwischenhäfen verkehrte die Deutschland in regelmäßiger Linienfahrt direkt zwischen Hamburg und New York. Rund sechs Wochen waren die etwa 20 Kajütspassagiere und 200 Zwischendecker unterwegs, bis sie ihr Ziel erreichten. An einer Stelle können die Besucher anschaulich die Situation der Zwischendecker erleben. In zwei Kojen übereinander waren sie während der Überfahrt dicht gedrängt untergebracht, oftmals drei Generationen, die miteinander in ein neues Leben aufbrachen.

Zu sehen sind auch die Schiffsmodelle der "Helena Sloman" und der "Thames", Dampfsegelschiffe der Sloman-Reederei. Auf deutsch und englisch kann der Besucher von dem Konkurrenzkampf der Reedereien und den vielfältigen Gründen erfahren, die in den Jahren zwischen 1820 und 1914 allein über Hamburg rund fünf Millionen Menschen bewogen, das Land zu verlassen. Missernten, Hungerkatastrophen, soziale, religiöse, wirtschaftliche und politische Motive trieben die Menschen, die hier keine Chance für sich sahen, an. In einem separaten Raum informieren zusätzlich zwei Filme über die Migration vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Wie haben die Menschen ihre Tage in der Stadt verbracht, bis sie die ersehnte Reise antreten konnten? Rund 100 Logierhäuser boten Unterkunft, die meisten davon in Hafennähe. Lichtmarkierungen am Stadt- und Hafenmodell von 1900 demonstrieren die Lage von Logierhäusern, Amerika-Kai und Veddel. "Wichtiger Ort der Kommunikation und Kontaktbörse für die Auswanderer waren die Hafenkneipen", sagt Prange. Das Ambiente eines solchen Treffpunktes um 1900 haben die Ausstellungsmacher in einer weiteren Inszenierung nachempfunden. Themen der Ausstellung sind unter anderem außerdem die Zwangsemigration der Juden, die Auswanderung nach Palästina nach 1945 in britisches Mandatsgebiet, der Handel mit Übersee, die Ostindien- und Afrikafahrt sowie die Kolonialpolitik.

Im Gegensatz zur Ballinstadt geht es im Hamburgmuseum nicht um Einzelschicksale. "Wir personifizieren in der Ausstellung nicht. Im Mittelpunkt steht hier die historische Darstellung der Gesamtentwicklung", sagt Dr. Carsten Prange.

  • Hamburgmuseum , Holstenwall 24, Eröffnung der neuen Dauerausstellung Ende Februar 2007. Das Museum ist di-sa 10-17, so 10-18 Uhr geöffnet.