Wie das Museum für Völkerkunde Hamburg mit einer Ethnie in Papua Neuguinea zusammenarbeitet.

Von 1908 bis 1910 erforschte eine Expedition im Auftrag der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung für das Museum für Völkerkunde die Kultur der Südseevölker in Melanesien und Mikronesien. Das Team, das mit dem Spezialschiff "Peiho" unterwegs war, brachte eine Fülle von ethnographischen Objekten mit nach Hause. Viele dieser Artefakte sind heute weltweit bekannte Spitzenstücke des Museums an der Rothenbaumchaussee. Doch die Expedition hatte auch ein Manko: Die Forscher waren hervorragende Wissenschaftler, da ihnen aber Sprachkenntnisse fehlten, konnten sie sich mit den Menschen kaum verständigen. Oft erfuhren sie daher nicht, was es mit den wertvollen ethnographischen Gegenständen, die sie erwarben, auf sich hatte.

Um diesen Mangel nachträglich zu beheben, fahren Hamburger Wissenschaftler wie Dr. Antje Kelm oder Dr. Jeanette Kokott, die heutige Südsee-Kuratorin des Museums, regelmäßig nach Papua Neuguinea und zeigen den Menschen dort Fotos jener Objekte, die Anfang des 20. Jahrhunderts nach Hamburg gelangt sind. Auf diese Weise können sie erfahren, welche Funktion und Bedeutung die Artefakte in der Kultur der Südsee-Völker hatten.

Zu Dr. Kelms Informanten auf der Insel New Britain gehört John Sakle, ein traditioneller Heiler vom Stamm der Sulka. Im Sommer 2005 kam er auf eine Schöpfungsmythe der Sulka zu sprechen. Die Ethnologin wollte es genauer wissen, doch Sakle winkte ab. "Das dauert zu lange, da würden wir noch heute Abend hier sitzen", meinte er.

Im Sommer 2006, als Dr. Kelm - finanziell unterstützt von der Edmund-Siemers-Stiftung - Sakle und seinen Sohn William wieder besuchte, überreichte er ihr ein etwa 80 Seiten langes Manuskript, in dem die gesamte Mythe aufgeschrieben ist - von William Sakle nach den Erzählungen seines Vaters.

Wie in der biblischen Genesis ist es am Anfang der Zeiten dunkel und leer. Der erste Mensch ist eine Frau namens Tamus, die einen Garten anlegt. Dort findet sie einen wildwachsenden Ingwer, in dessen Blüte sie einen Jungen entdeckt, den sie großzieht. Dieser ist eine Gottheit und vollbringt weitere Schöpfungstaten. Als Dr. Kelm dem Heiler das Foto eines bemalten Bretts zeigte, das die Südsee-Expedition vor 100 Jahren mit nach Hamburg gebracht hat, identifizierte er darauf die Darstellung der Tamus.

"Diese Mythe, die ich aus dem Pidgin übersetzen und kommentieren werde, ist für meine Forschung im Museum eine wichtige Ergänzung, denn sie wirft eine neues Licht auf die Kultur der Sulka", sagt Dr. Antje Kelm, die den Text unter Sakles Namen in einer wissenschaftlichen Publikation veröffentlichen wird.

John und William Sakle haben aber auch Erwartungen an das Hamburger Museum: Sie wünschen sich Literatur, die in Europa über die Kultur ihres Stamms erschienen ist. Prof. Wulf Köpke will diesem Wunsch gern nachkommen: "Im nächsten Jahr werden wir den Sulka ein historisches Archiv in tropensicheren Bücherschränken übergeben", sagt der Museumsdirektor, und fügt hinzu: "Auf diese Weise können wir der Ethnie der Sulka nach knapp 100 Jahren etwas geben."