Ein Restaurant auf der Plattform und eine Brücke zum Ballindamm - Pläne und Visionen

Lange muss man nicht auf eine Antwort warten. Gefragt nach den Schwächen und Stärken des Hauses, die sich während seines ersten Amtsjahres als Direktor der Kunsthalle Hamburg gezeigt haben, antwortet Prof. Dr. Hubertus Gaßner umgehend. Ein dickes Lob spricht er dem Publikum aus, das ihn "mit einer großen Erwartungshaltung und einer unangefochtenen Akzeptanz der Kunsthalle" positiv überrascht hat. "Da herrscht ein gutes Klima", sagt er zufrieden.

Ernüchtert hat Gaßner hingegen die Realität der nackten Wirtschaftszahlen. Fehlende Entschuldung, fehlendes Kapital bei der Umwandlung der hanseatischen Museen in Stiftungen öffentlichen Rechts haben einen Schuldenberg verursacht. "Und ein langfristiger Ausweg", gibt Gaßner zu bedenken, "ist noch nicht spruchreif, trotz verstärktem Engagement seitens der Kulturbehörde." Einige Vorhaben setzt solch finanzieller Notstand in den Konjunktiv. Kein Grund, Zukunftspläne fallen zu lassen. Verschlossene Türen sind da, um sie zu Öffnen.

Eine Tür hat Hubertus Gaßner bereits selbst geöffnet: den Eingang des Altbaus vis-à-vis der Galerie der Gegenwart. Ein scheinbar marginaler, dennoch symbolischer Eingriff, der auf eine komplette Drehung des Museums hinweist. Mit ihm soll sich die Kunsthalle nicht nur mehr in Richtung Jungfernstieg hin öffnen. Die Verlegung des Haupteingangs ermöglicht darüber hinaus zwei besucherfreundliche "Kreisläufe". Vom Altbau aus kann sich der Besucher für zwei Rundgänge entscheiden, ohne das ganze Museum zu durchwandern: entweder in die Vergangenheit Richtung Neubau oder in Richtung Galerie der Gegenwart mit aktueller Kunst.

Ausserdem schwebt Gaßner "eine repräsentative Ausstellungszone" im Erdgeschoß des Altbaus unter Einbindung seiner beiden, bislang getrennten Längsseiten vor. "Die Besucher bekämen damit beim Eintritt was sie lieben: die Klassische Moderne oder große Wechselausstellungen."

Noch in anderer Hinsicht plant Gaßner den Altbau zum Dreh- und Angelpunkt einer zukünftigen Kunsthalle zu bestimmen. Ausser für Kunst ist der Neubau dann auch Stätte eines Wissen-Pols, der mit Bibliothek, Leseplätzen und Archiven der Forschung dient, für Laien ebenso wie für Fachleute. Der gegenüberliegende Pol wäre entsprechend dazu ein Ort für "Unterhaltung und Festivitäten". Überlegungen hierzu, nahe an der Grenze zu städtebaulichen Eingriffen, hat Gaßner zur Genüge. Im Blick hat er die Plattform zwischen Altbau und Galerie der Gegenwart, idealer Standpunkt für Restaurant und Orangerie. Wünschenswert darüber hinaus eine Brücke zum Ballindamm und auch das Dach der Galerie der Gegenwart ließe sich in seinen Augen für das Publikum nutzen, "um die Kunsthalle aus ihrer innerstädtischen Insellage zu befreien". Maßnahmen wie diese, untermalt von nächtlichen Licht- und Filmprojektionen auf den Fassaden des Museums, könnten helfen, so Gaßner, die "tote Ader Ballindamm" wieder zu beleben.

Und Gaßners Pläne reichen noch weiter, über die Elbe. Nach der Feier des zehnjährigen Bestehens der Galerie der Gegenwart kommt es zu einer temporären Zusammenarbeit mit den Phoenix-Hallen in Harburg.

Die Kooperation könnte Modellcharakter bekommen und weiter ausgebaut werden, wann immer die Galerie räumlich an ihre Grenzen stößt. Ebenso erwägt Gaßner eine Dependance in der HafenCity, "um der Kunsthalle auch dort Präsenz zu verschaffen und die Entwicklung nicht zu verschlafen". Für die Realisierung solcher und ähnlicher Projekte, müssen allerdings noch Wege und Mittel gefunden werden.

Bei seinen Plänen für Ausstellungen haben für Hubertus Gaßner drei Punkte oberste Priorität: Eine Reduktion der Ausstellungen zugunsten weniger, durchaus opulenter, aber qualitativ fundierter Kunst-Schauen in weniger, aber dafür größeren Räumen. Diese stehen selbstverständlich auch der Hamburger Kunst und dem Kupferstichkabinett zur Verfügung. Das wird zweitens auch die auf Hamburg bezogenen Ausstellungen betreffen. Ihre Anzahl soll zugunsten einer größeren, einmal im Jahr stattfindenden Schau im Hubertus-Wald-Forum verringert werden. "Kunst aus Hamburg soll einen großen Auftritt haben", verspricht Gaßner. So wird sie auch im kommenden Jahr in der Galerie der Gegenwart besonders berücksichtigt.

Ein drittes Anliegen ist Gaßner, Kalenderjahre, in denen sich keine einzelne Ausstellung als "Krönung des Jahres" hervorhebt, besonderen Themen zu widmen. "Wenn wir auf hohem Niveau gleichwertige Ausstellungen haben, visieren wir eine Schwerpunktbildung an. So steht 2007 im Zeichen der zeitgenössischen Kunst, unter anderem mit einer Schau über den Einfluss von Malewitschs schwarzen Quadrat auf die Kunst der Gegenwart sowie der ersten Daniel Richter-Retrospektive." Das Jahr 2008 steht für den Kunsthallenchef im Zeichen der Klassischen Moderne.

Die Konkurrenz schläft nicht. Das weiß auch Hubertus Gaßner. So plant er den bereits von Vorgänger Prof. Uwe M. Schneede verstärkten Service am Besucher weiter auszubauen. Zusätzlich zu den pädagogischen Führungen die Attraktivität zu erhöhen, um das "Kapital der Aufmerksamkeit" zu nutzen, so lautet die Formel des Kunsthallenchefs. Gleichwohl bleibt die Vermittlung von Bildungswissen eine der Hauptaufgaben, versichert Gaßner.

Unter anderem soll neben der "Kinderzeit" ein interaktiv gestaltetes "Kinderzimmer" eingerichtet werden. Und nach der Zusammenarbeit mit Theaterproduktionen an den langen Donnerstagen ist ebenso ein Auftritt der Hochschule für Musik denkbar.

"Das alles ist im Fluss." Statt programmatischen Festlegungen bei der Präsentation der Sammlung steuert der neue Direktor lieber das Fernziel an: die Kunsthalle zu einem quicklebendigen Ausgangspunkt für eine attraktive Kunstmeile zu machen und sie aus ihrer Insellage innerhalb der Stadt und innerhalb Deutschlands herauszulösen. "Eine Ausstrahlung nach Berlin und europaweit, das wäre meine Vision", sagt Hubertus Gaßner.