Im Mittelpunkt steht die “Venus vom Esquilin“, die als Darstellung der Kleopatra identifiziert wird. Zu sehen sind auch Bildnisse der Kinder.

Die geheimnisvolle und verführerische letzte Königin des ägyptischen Ptolemäerreichs hatte viel gewagt und gewonnen. Und doch war sie am 12. August des Jahres 30 v. Chr. zum Suizid gezwungen. In aussichtsloser Lage hatte sie sich umgebracht, war gestorben, aber nie vergessen worden. Kleopatras Mythos lebt bis heute und beschäftigt seit mehr als zwei Jahrtausenden die Fantasie von Dichtern, Bildhauern, Malern und Regisseuren. Den Besuchern des Bucerius Kunst Forums tritt Kleopatra jetzt gar als Göttin entgegen, anmutig und von makelloser Schönheit.

Die Ausstellung "Kleopatra und die Caesaren" zeichnet nicht nur mit spektakulären Leihgaben aus vielen bedeutenden Museen der Welt das Schicksal, den Mythos und die enorme kulturelle Nachwirkung der berühmt-berüchtigten Ptolemäerin nach, sondern bekräftigt mit neuen Erkenntnissen zu einer der bedeutendsten antiken Plastiken aus Rom zugleich eine sensationelle These, die zwar schon vor längerer Zeit von dem italienischen Philologen und Kulturwissenschaftler Licinio Glori aufgestellt, aber bislang nicht erhärtet werden konnte: Ausstellungskurator Bernard Andreae - der renommierte Archäologe war lange Zeit Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom - identifiziert nämlich mit ziemlich guten Argumenten die berühmte "Venus vom Esquilin" als Bildnis der Kleopatra.

Die Göttin aus weißem Marmor trägt also in Wahrheit das Antlitz der Königin. Andreaes vergleichende Forschungen lassen jedenfalls den Schluss plausibel erscheinen, dass es sich bei der Statue aus den Kapitolinischen Museen, die nun erstmals außerhalb von Rom zu sehen ist, um eine frühe Kopie jener Statue handelt, die Caesar im Jahr 46 v. Chr. im Venustempel des Forum Iulium aufstellen ließ und die die Züge der Kleopatra trug - was in Rom damals übrigens auf großes Befremden stieß.

Zur Untermauerung seiner These verweist Bernard Andreae auch auf das von einem griechischen Bildhauer geschaffene Bildnis Arsinoes II. aus dem Akademischen Kunstmuseum, der Antikensammlung der Universität Bonn. Im Katalog scheibt er dazu: "Die Ähnlichkeit präziser Erkennungsmerkmale in den beiden Gesichtern, vor allem die bis zu den Schläfen in einem Schwung durchlaufende Nasenbrauenlinie und die wellenförmige Lippenspalte mit den nach oben weisenden Häkchen in den Mundwinkeln, ist nicht zufällig, sondern rechnet mit der erkennenden Erinnerung der Betrachter."

Ganz bewusst sollte also das Gesicht der Kleopatra an das ihrer großen Vorgängerin Arsinoe I. erinnern. Im Hinblick auf die Venus vom Esquilin schreibt Andreae weiter: "Der römische Bildhauer ließ sich 45 v. Chr. von ptolemäischen Vorbildern anregen, verstand es aber, alle Elemente ägyptischen Stils seiner eigenen Sehweise anzuverwandeln und ein einzigartiges Bildwerk zu schaffen, das als Synanos (Mitbewohner) in den Tempel der Stammmutter Venus gestellt werden konnte."

Zu den Höhepunkten der Schau gehören aber auch Statuen, die die durchaus verwickelten familiären Beziehungen der Königin dokumentieren: Mit Caesar hatte sie einen Sohn, den sie Kaisarion nannte und der später den Herrschernamen Ptolemaios XV. trug. Mit Marcus Antonius hatte die Königin gleich drei Kinder: das Zwillingspaar Alexander Helios und Kleopatra Selene sowie Ptolemaios Philadelphos. Im Oktogon des Bucerius Kunst Forums wird die Königin nun erstmalig gemeinsam mit ihren vier Kindern präsentiert.

Besonders anrührend wirkt die Bronzestatue eines Knaben, die als Leihgabe aus dem Musee de l'Ephèbe, Cap d'Agde nach Hamburg kam. Sie wurde erst im Jahr 2001 in einem Schiffswrack vor der südfranzösischen Mittelmeerküste gefunden. Dass es sich bei diesem kleinen Jungen, der lebensgroß in makedonischer Tracht dargestellt ist, um einen Sohn der Kleopatra handelt, gilt als wahrscheinlich.

Das im späten ersten Jahrhundert gesunkene Schiff muss, wie andere darin entdeckte Gegenstände nahelegen, aus einem ägyptischen Hafen ausgelaufen sein. Selbst wenn man aufgrund von Kleidung und Haltung davon ausgeht, dass es sich um die Darstellung eines Kindes der Kleopatra handelt, ist freilich unklar, ob die 80 Zentimeter hohe Statue Caesars Sohn Kaisarion verkörpert oder Alexander Helios, der 40 v. Chr. als Sohn von Antonius geboren wurde.

Sollte es tatsächlich Alexander Helios sein, so wäre es die einzige bislang bekannte Darstellung, die diesen Sohn Kleopatras und Marcus Antonius' zeigt. Bemerkenswert und für die Identifizierung als Kind Kleopatras von ausschlaggebender Bedeutung ist die Kleidung dieser Bronzeskulptur: Die dreieckig geschnittene Chlamys, die der Knabe über die Schulter geworfen hat, taucht ganz ähnlich auf Darstellungen von Alexander dem Großen auf. Interessant ist die Form des Kopfschmucks mit dem Blitzbündel, das das Kind als Angehörigen des makedonischen Herrschergeschlechts erkennbar werden lässt, das unter dem besonderen Schutz von Zeus steht. Andreae, der die Statue auf das zweite Viertel des ersten vorchristlichen Jahrhunderts datiert, meint dazu: "Die in der Zeit, in der die Statue entstand, noch regierende makedonische Dynastie war diejenige Kleopatras. Der Knabe kann deshalb nur ein Kind Kleopatras sein, es ist aber schwierig den archäologischen Befund und die Schriftquellen in Übereinstimmung zu bringen."

Schon Cicero, immerhin ein unmittelbarer Zeitzeuge, erwähnt den ältesten Sohn Kleopatras, als "jenen Caesar". Und auch der griechische Dichter Sueton schreibt, "dass der Junge an Gestalt und Gang ganz das Ebenbild Caesars gewesen" sei. Für Sueton stand die Vaterschaft Caesars also außer Frage.

Zu sehen ist auch der Porträtkopf einer jungen Frau, der in Caesarea, der Hauptstadt des antiken nordafrikanischen Königreichs Mauretanien, gefunden wurde. Die zu einem Kranz eingedrehten Locken ähneln nicht zufällig den Bildnissen der Kleopatra. Der Fundort der recht gut erhaltenen Marmorplastik deutet darauf hin, dass es sich hier um ein Bildnis von Kleopatra Selene (40 v. Chr - 6 n. Chr.) handelt, der Zwillingsschwester von Alexander Helios, der allerdings nur zehn Jahre alt wurde. Auch Kleopatras andere Kinder wurden nicht alt. Nur Kleopatra Selene hatte ein glücklicheres Schicksal, sie residierte als Königin von Mauretanien.

  • Bucerius Kunst Forum , Rathausmarkt 2, bis 4.2.07, tägl. 11-18 Uhr, do bis 22 Uhr, Katalog 24,80 Euro.