Für die einen ist es die beste Alternative für die anderen ein Skandal: Mit der Entscheidung eine Veranstaltung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) am Montagabend auf den Lambertiplatz zu verlegen, hat die Stadtverwaltung bei vielen Lüneburgern für Empörung gesorgt.

Lüneburg. Der Grund: Die unmittelbare Nähe zum Haus des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in der Heiligengeiststraße, in dem auch die Lüneburger Geschichtswerkstatt und die Initiative Stolpersteine beheimatet sind. Außerdem koordiniert der DGB von hier aus das Bündnis für Demokratie/Netzwerk gegen Rechtsextremismus. Die Wahl des Veranstaltungsortes empfindet DGB-Chef Hartwig Erb daher „als eine Provokation und einen persönlichen Affront.“

Da die NPD eine legale Partei ist, habe sie ein Recht auf eine Wahlveranstaltung auf einem öffentlichen Versammlungsort, begründete Stadt-Sprecher Daniel Steinmeier. Ursprünglich wollten die Rechtsextremisten sich auf dem Markt versammeln. Doch wie berichtet war der Platz bereits durch eine Kundgebung der Antifaschistischen Aktion Lüneburg (Antifa) belegt. Als Ausweichmöglichkeit bot die Stadt dem Anmelder der Veranstaltung, dem NPD-Landesvorsitzenden Manfred Börm aus Handorf, den St. Lambertiplatz an.

Am Montag begründete die Stadtverwaltung die Entscheidung damit, dass „alle anderen Plätze in Lüneburg wegen ihrer historischen Bedeutung nicht infrage kommen.“ Eine Argumentation, die Jochen Fischer von der Geschichtswerkstatt nicht nachvollziehen kann: „Das muss ich kritisieren. Immerhin wurden Gewerkschafter während der nationalsozialistischen Herrschaft verfolgt.“ Er habe den Eindruck, dass die Stadt sehr formal an den NPD-Antrag herangegangen sei. Stattdessen hätte sich Fischer mehr Kooperation gewünscht: „Die Verwaltung muss hier stärker mit uns Bürgern zusammenarbeiten und hätte uns frühzeitig informieren müssen.“

Dass das nicht geschehen ist, kritisiert auch DGB-Chef Hartwig Erb: „Ich habe erst über Dritte von der Versammlung erfahren.“ Besonders prekär sei das, weil für Montagabend ein Treffen der Geschichtswerkstatt anberaumt gewesen sei. In der Initiative engagieren sich Menschen, die während der NS-Gewaltherrschaft zum Teil selbst verfolgt wurden. Erb: „Die wären vollkommen unvorbereitet auf die Rechtsextremen getroffen.“ So wie Sonja Barthel, deren Familie – ihre Mutter war Jüdin – von den Nazis verfolgt, und teilweise deportiert und ermordet wurde. Barthel sagt: „Ich bin heute erst aus Frankfurt zurück gekommen und wollte eigentlich zum Treffen der Geschichtswerkstatt.“

Aber das Treffen fiel wegen der NPD-Veranstaltung nun aus. Stattdessen protestierte Sonja Barthel gemeinsam mit etwa 300 weiteren Menschen gegen die Parolen der 19 NPD-Anhänger. Lautstark, mit Trommeln, durch Pfiffe und Protest-Rufe, erstickten die NPD-Gegner die Reden von Redner Manfred Börm und des Lüneburger Neonazis Lasse Krüger im Keim. Die Demonstration verlief größtenteils friedlich. Für einen kurzen Tumult sorgten vier verspätet eintreffende Neonazis, die von den Einsatzkräften der Polizei auf den Lambertiplatz geleitet werden mussten: Nach angaben der Polizei wurden die Nachzügler zuvor mit Steinen beworfen, verletzt wurde aber niemand. Gegen 20 Uhr wurden die NPD-Anhänger dann – abermals unter Polizeischutz – vom Lambertiplatz zu einem rechtsextremistischen Szeneladen in der Altenbrückertorstraße begleitet.

Doch auch einen Tag nach der Veranstaltung hinterlässt die unsensible Standortwahl der Stadt einen üblen Nachgeschmack. Hartwig Erb kritisiert: „Gerade im Wahlkampf sollte man der NPD nichts schenken. Ich frage mich, wieso es nicht bei einem normalen Infotisch in der Innenstadt bleiben konnte, wie in alle anderen Parteien auch haben.“ Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der 17. August durch den Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolph Hess historisch belastet sei, hätte die Versammlung verboten werden müssen. Dazu Oberbürgermeister Ulrich Mädge: „Wir haben ein Verbot der Mahnwache geprüft, wären damit rechtlich aber nicht durchgekommen.“

Also musste auch die Polizei sich darauf einstellen, NPD-Anhänger und Gegendemonstranten auf dem nach allen Seiten offenen Lambertiplatz auseinanderzuhalten. Dazu Polizeisprecher Kai Richter: „Ich werde hier keine öffentliche Kritik üben. Aber sicher gibt es taktisch bessere Standorte.“ Auf mehrfache Nachfrage der Rundschau rückte die Stadtverwaltung am Dienstag schließlich von der ursprünglichen Argumentation ab, der Lambertiplatz sei, nach Ausscheiden der aller anderen Möglichkeiten aus historischen Gründen, die einzige Alternative. Stattdessen nimmt Mädge folgendermaßen Stellung: „Für Rechtsradikale gibt es in ganz Lüneburg keinen guten Standort.“ Der Lambertiplatz sei „eine genauso schlechte Lösung wie alle anderen auch.“ Hartwig Erb will sich damit nicht zufrieden geben. Er sagt: „Das wird ein Nachspiel haben. Ich verlange eine Aufklärung, wie so etwas passieren konnte.“