Zweiter Marsch der Rechtsradikalen in sechs Wochen. Die Polizei hielt auch linke Szene konsequent in Schach.

Lüneburg

Der Platz vor dem Alten Kran am Stint ist rappelvoll. Auch auf der Stintbrücke reihen Alt und Jung sich dicht an dicht. Die Stimmung ist gut, es gibt Musik, viele lachende Gesichter - und viele rote Fahnen. Rund 1000 Menschen haben sich am Sonnabend versammelt, um gegen den für den gleichen Tag angemeldeten Neonaziaufmarsch zu demonstrieren. Mit dabei sind auch Hannah Lispel (14), Nika Kanewski (15)und die Geschwister Lukas (18) und Judith Frank (15). Alle vier finden es wichtig, heute Präsenz zu zeigen. "Allein schon symbolisch, damit alle merken, dass wir Faschismus in keiner Form dulden - schon gar nicht in Lüneburg", sagt Lukas getreu dem Veranstaltungsmotto "Keine Neonazis in unserer Stadt".

Organisiert wurde die Kundgebung vom Lüneburger "Bündnis für Demokratie/Netzwerk gegen Rechtsextremismus". Die Initiative eint inzwischen 62 Organisationen. Lennard Aldag vom Deutschend Gewerkschaftsbund (DGB) Lüneburg sagte als Anmelder der Veranstaltung bei seiner Begrüßungsrede: "Zum zweiten Mal in nur sechs Wochen wollen Nazis in Lüneburg marschieren. Wir sind heute hier, um zu zeigen, dass die wir dies nicht unwidersprochen hinnehmen." Das Bündnis stehe für die Werte, gegen die de Nazis hetzten: "Freiheit und demokratische Grundrechte."

Kritik gegen das Vorgehen der Stadt in Vorbereitung auf die heutigen Demonstrationen äußerten sowohl Aldag als auch Olaf Meyer, Sprecher der Antifaschistischen Aktion (Antifa). "Unverständlicherweise", so Aldag, habe die Stadt dem Bündnis den Bahnhof als Auftaktkundgebungsort untersagt. Die Begründung, dass die Bündnisdemo eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstelle, bezeichnete Olaf Meyer als "Gipfel der Frechheiten." Meyer rief zu weiteren Protesten auf der Route der Rechtsextremen auf: "Keine Neonazis in unserer Stadt heißt für uns auch, dass wir dort demonstrieren, wo die Nazis heute laufen."

Einige Aktivisten folgen dieser Idee: Nach Angaben der Polizei versuchen "mehrere Personen der linken Szene in den Bereich der Demonstration der Rechtsextremen zu kommen." Die Einsatzkräfte reagieren mit insgesamt 177 Platzverweisen. Die weitere Bilanz: Gegen Mitglieder des rechtsextremen Spektrums werden zwei Strafverfahren wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoß gegen das Waffengesetz eingeleitet. Zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt es diesmal aber nicht.

So bunt und lebendig wie der Protest am alten Kran zum Ausdruck kommt, so ermüdend wirkt die Veranstaltung der 112 Rechtsextremen im Stadtteil Neu Hagen. Nur wenige Anwohner zeigen sich auf der kreisförmigen Route zwischen Bleckeder Landstraße und Bachstraße. Allerdings: Von Protest ebenso keine Spur. Einzig in der Spangenbergstraße bezeugt ein Plakat im Fenster, dass Nazis hier unerwünscht sind. Der Bewohner versucht mit lauter Punk-Musik die Nazi-Parolen zu übertönen.

Und die Reden der Rechtsextremen haben es in sich. "BRD heißt das System, morgen wird es untergehen", prognostizieren die Nazis die Zukunft der demokratischen Bundesrepublik. Bei der Abschlusskundgebung vor der ehemaligen Schlieffenkaserne zeigen sie ihre Staatsfeindlichkeit nur allzu deutlich. Dieter Riefling, Redner der Neonazis aus Hildesheim, sagt in Bezug auf den sechzigsten Jahrestag des Grundgesetzes: "Wir haben heute gar nichts zu feiern." Weiter bezeichnet er die Bundesrepublik als "vorübergehende Willkürherrschaft." Den Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge beschimpft Riefling als "moosbesetzten Karpfen in einem völlig verschlammten Teich."