Bürger wettern gegen häufige Demos in ihrem Stadtteil. Anwohner sind verunsichert und haben Angst. Der Pastor ruft zum Widerstand auf.

Lüneburg. Drei Demonstrationen von Neonazis in sechs Jahren: Den Bewohnern der Stadtteile Neu Hagen und Schützenplatz reicht es, das machten sie bei einer Diskussionsrunde im Stadtteiltreff an der Lossiusstraße klar. Ende November sollen die Demos noch einmal Thema sein - und wie die Nachbarn den Rechtsextremen entgegentreten wollen.

Eingeladen zu der Runde hatte der Regionalbereichsleiter der Stadt, Joachim Bodendieck, gekommen waren rund 25 Anwohner sowie Rechtsamtsleiter Wolfgang Sorger und Polizeichef Hans-Jürgen Felgentreu unter anderem mit Einsatzleiter Roland Brauer. Warum solche Demonstrationen nicht verboten werden können, und warum sie immer durch den Schützenplatz und Neu Hagen führen, fragte Bodendieck als Sprachrohr der Anwohner die Vertreter von Stadt und Polizei.

"Das Grundrecht in Artikel acht besagt: Friedlich versammeln darf sich jeder, es sei denn, es ist eine verbotene Partei", erklärte Jurist Sorger zu Beginn des Abends. "Wir können Auflagen machen, aber verhindern können wir es nicht - auch wenn es uns politisch nicht gefällt." Polizeichef Felgentreu: "Wer glaubt, dass Polizeibeamte gerne die Demonstrationen von Neonazis schützen, der irrt. Aber wir haben Rechtspflichten abzuarbeiten." Die Polizei sei an Recht und Gesetz gebunden, könne nicht nach Bauchgefühl handeln.

Weshalb regelmäßig Strecken im Stadtteil gewählt werden, erklärte Felgentreu so: Die Demonstranten reisten meist per Bahn an, für die Polizei gelte dann das Separierungsgebot: Sie lässt Rechte und Linke rechts und links aus dem Bahnhof rausgehen, um Gefahren zu minimieren, und nutzt dabei natürliche Hindernisse wie Bahngleise und die Ilmenau. Würde die Demo etwa am Kreideberg stattfinden, müssten die Neonazis erst unter Polizeischutz dorthin geleitet werden. Felgentreu: "So etwas ist nicht sicherbar." Konrad-Adenauer-Straße, Schießgrabenstraße und Stadtring hätten eine zentrale Erschließungsfunktionen, unter anderem für Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge. Und die Wittenberger Bahn komme nicht in Frage, da den Anmeldern das Recht auf Öffentlichkeit zustehe.

Rechtsamtsleiter Wolfgang Sorger: "Wir sind relativ alternativlos, da die Anreise über den Bahnhof abläuft." Anders wäre die Lage, würden die Neonazis sich etwa für die Sülzwiesen anmelden und per Bus kommen.

Die Situation spitze sich regelmäßig gegen Ende einer Woche zu, denn angemeldet würden solche Demonstrationen und Gegen-Demonstrationen stets für einen Sonnabend. Und meistens für die Innenstadt. Dort kann die Verwaltung sie aufgrund von Gefahrenprognosen der Polizei aber heraushalten. Was für die Anwohner in Neu Hagen und Schützenplatz Angst und erhebliche Einschränkungen zur Folge hat, wie sie deutlich machten. Pastor Ekkehard Müller-Bader stellte klar: "Wir wollen das hier nicht mehr." Das SPD-Ratsmitglied Ronald Bast sprach sich dafür aus, die Rechtsextremen einfach nicht zu beachten. "Auch die Presse sollte sie ignorieren und nichts darüber schreiben." Die Neonazis kämen nach Lüneburg, weil sie ein Forum fänden, wenn das fehlen würde, kämen sie auch nicht mehr.

Einspruch dagegen meldeten sowohl Pastor Müller-Bader als auch Olaf Meyer und Lennard Aldag vom Bündnis für Demokratie/ Netzwerk gegen Rechtsextremismus an: "Indirekt sprechen wir ein Willkommen aus, wenn wir nichts tun", sagte Müller-Bader. "Dazu darf es nicht kommen." Antifa-Mitglied Meyer: "Wenn wir dafür sorgen, dass Nazis hier leichtes Spiel haben, haben wir verloren. Wichtig ist, schon jetzt Flagge zu zeigen: Hier sind sie nicht willkommen. Irgendwann vergeht denen die Lust, dann ist es kein Event mehr. Gerade auf die jungen Leute macht so etwas Eindruck, und sie überlegen es sich zweimal, das noch einmal mitzumachen."

Lennard Aldag vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sagte: "Wegignonieren hilft den Neonazis. Es geht denen um die Innenwirkung, nicht die Außenwirkung." Er bot den Anwohnern an, gemeinsam über Reaktionen und Aktionen bei zukünftigen Demos nachzudenken. Denn dass die Nachbarn nicht wissen, wie sie mit den Neonazis vor ihren Türen umgehen sollen, auch das wurde an diesem Abend deutlich.

Wieder über dieses brisante Thema reden wollen sie am Montag, 30. November, ab 18 Uhr im Stadtteilhaus.