Kennen Sie den Meister-Bertram-Altar in der Hamburger Kunsthalle, dieses Hauptwerk mittelalterlicher norddeutscher Kunst, das ursprünglich in St.

Kennen Sie den Meister-Bertram-Altar in der Hamburger Kunsthalle, dieses Hauptwerk mittelalterlicher norddeutscher Kunst, das ursprünglich in St. Petri stand, später nach Mecklenburg kam und erst Anfang des 20. Jahrhunderts nach Hamburg zurückkehrte? Oder den Pariser Saal, den Justus Brinckmann 1900 auf der Pariser Weltausstellung für das Museum für Kunst und Gewerbe erwarb, wo es heute als prächtiges Jugendstil-Interieur besichtigt werden kann? Haben Sie einmal das Hamburger Modell des Salomomischen Tempels betrachtet, das 1680-92 in unglaublicher Detailfülle aus Holz gefertigt wurde und heute im Hamburgmuseum steht?

Drei Beispiele von herausragenden Kunstwerken, die nicht für kurze Zeit im Rahmen einer spektakulären Sonderausstellung gezeigt werden, sondern zum Bestand dreier Hamburger Museen gehören und dort Tag für Tag besichtigt werden können.

Schon seit Jahrzehnten wird der Museumsalltag von Sonderausstellungen beherrscht, von großen, genau kalkulierten Ereignissen, die für kurze Zeit ein bestimmtes Thema in den Fokus rücken und in diesem Kontext Kunstwerke oder andere historische Objekte präsentieren. Das ist notwendig und gut, denn große Sonderausstellungen bringen uns kunst- oder kulturgeschichtliche Themen nahe, wecken das Interesse an Museen, fördern den Tourismus und gehören zum kulturellen Leben einer Metropole einfach dazu. Das gilt umso mehr, wenn sich die Sonderausstellungen auf Schwerpunkte und Stärken der jeweiligen Sammlung beziehen und thematisch daraus entwickelt werden, wie das zum Beispiel bei der großen Caspar-David-Friedrich-Retrospektive 2006/07 in der Kunsthalle geschehen ist.

Doch der Ausstellungsbetrieb birgt auch Gefahren. Um für möglichst viele Besucher attraktiv zu sein, sind viele Museen beinahe dazu gezwungen, sich um spektakuläre Sonderausstellungen zu bemühen. Leihgebühren, Transport- und immer höhere Versicherungskosten, intensive Marketing-Strategien sowie eine aufwendige Ausstellungsgestaltung machen große Sonderausstellungen zu teuren Projekten, die sich ohne die Unterstützung von Sponsoren kaum mehr realisieren lassen.

Dabei entsteht leider schnell der Eindruck, dass sich ein Museumsbesuch nur dann lohnt, wenn gerade eine Sonderausstellung läuft. Dabei sind die eigentlichen Schätze in den ständigen Sammlungen zu finden - Kunstwerke, die im Lauf von Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten in die jeweilige Sammlung gekommen sind und das Profil des Museums bestimmen. Wer zum Beispiel die romantische Landschaftsmalerei kennenleren möchte, ist nicht auf eine große Caspar-David-Friedrich-Ausstellung angewiesen, sondern findet herausragende Werke in der ständigen Sammlung der Kunsthalle.

Allerdings sind die Museen dazu verpflichtet, ihre Sammlungen immer wieder im Kontext der jeweiligen Zeit zu präsentieren. Eine Dauerausstellung kann heute nicht mehr von Dauer sein. Zu schnell ändern sich die Sehgewohnheiten, die Interessen und Erfahrungen der Besucher.

Hier bleibt für die Hamburger Museen noch viel zu tun. Allerdings gibt es auch zahlreiche gute Beispiele, so hat die Kunsthalle erst vor wenigen Wochen den Meister-Bertram-Altar auf sehr attraktive Weise neu präsentiert, das Museum für Völkerkunde steht kurz vor der Eröffnung seines neuen Maskensaals und das Helms-Museum bereitet mit großem Aufwand eine komplette Neugestaltung seiner Schausammlung vor.

Ich möchte Sie ermutigen, Hamburgs Museen auch unabhängig von Sonderausstellungen zu besuchen. Sie werden staunen, wie viel es hier zu entdecken gibt.

Ihr Matthias Gretzsche l