Welche Funktion haben diese Artefakte? Was bedeuteten sie früher, was bedeuten sie heute für die Menschen in Melanesien? Der neue Saal präsentiert fantastische Masken und gibt erstaunliche Antworten.

Man tritt ins Dunkle und steht auf einmal merkwürdigen Wesen gegenüber, Gesichtern mit ausdrucksstarken Bemalungen, starrem Blick und riesigen Ohren. Oder fantastischen Mischwesen, halb Mensch, halb Tier. Es scheint Nacht zu sein: Grillen zirpen, dann sind Trommeln zu hören, die Rufe, die Gesänge von Tänzern, ein geheimnisvolles Ritual.

Der neue Maskensaal, der am 21. September im Museum für Völkerkunde eröffnet wird, entführt seine Besucher in eine Welt voller Geheimnisse, eine Welt, in der noch heute Geister eine reale Größe sind und Macht verkörpern. Masken gibt es in vielen Teilen der Welt, in Melanesien haben sie noch immer eine besonders starke Präsenz.

"Für viele Besucher unseres Hauses war der alte Maskensaal immer ein besonderes Erlebnis und oft auch der Höhepunkt des Museumsbesuchs. Deshalb war es für mich eine große Herausforderung, diesem zuletzt in den 70er-Jahren eingerichteten Maskensaal nun ein neues Gewand zu geben", sagt Jeanette Kokott, die Südsee-Kuratorin des Museums für Völkerkunde.

Eine Herausforderung ist das auch aus konservatorischen Gründen, denn viele dieser Masken sind inzwischen mehr als 100 Jahre alt, und sie bestehen größtenteils nicht aus Holz, sondern aus fragilen pflanzlichen Materialien. Schon aus diesem Grund war es notwendig, den Raum wieder weitgehend abzudunkeln, doch die nächtliche Stimmung, die durch Geräusche noch verstärkt wird, passt ohnehin gut zu den Artefakten, die hier gezeigt werden. Möglich wird die Neugestaltung dank der freundlichen Förderung durch die "Freunde des Museums für Völkerkunde".

Für Knud Knabe, der u. a. vor einigen Jahren auch die Südsee-Ausstellung gestaltet hat, stand die konservatorische Sicherung der Objekte im Vordergrund. "Aus diesem Grund war es auch unverzichtbar, die Dinge hinter Glas zu zeigen", erklärte der Ausstellungsgestalter und fügt hinzu: "Mir geht es darum, die Objekte zur Geltung zu bringen. Die Rauminszenierung soll die Begegnung mit den Objekten unterstützen." Obwohl, oder vielleicht gerade weil, Knabe Licht nur so sparsam einsetzt, leuchten die Masken im Dunkel umso eindrucksvoller. Der Raum, der nur 250 Quadratmeter umfasst, hat eine ganz eigene Atmosphäre, die den Besucher tatsächlich in die geheimnisvolle Welt Melanesiens eintauchen lässt.

Gibt es diese Welt noch? "Bei vielen Ethnien etwa auf der Insel Neubritannien, die Neuguinea östlich vorgelagert ist, spielen die Masken noch immer eine große Rolle. Bestimmte Rituale, wie zum Beispiel der berühmte nächtliche Feuertanz der Baining, den schon Forscher des 19. Jahrhunderts beschrieben haben, werden auch heute noch praktiziert. In Rabaul bzw. in Kokopo auf der Gazelle-Halbinsel Neubritanniens gibt es einmal jährlich ein großes nationales Mask-Festival, zu dem sich Gruppen aus vielen Gebieten Papua-Neuguineas treffen", erklärt Jeanette Kokott. Die Masken werden wie vor 100 Jahren im Männerhaus verwahrt und kommen zu wichtigen Anlässen, wie zum Beispiel zu Initiationsriten, zum Einsatz.

Dass den melanesischen Masken des Museums für Völkerkunde dennoch eine ganz besondere Bedeutung zukommt, hat sowohl historische als auch rituelle Gründe: Wichtige Teile des Bestandes, zum Beispiel einige besonders ausdrucksstarke Masken der Sulka aus Neubritannien, brachten die Mitglieder der Hamburger Südsee-Expedition ins Museum. 1908-10 erforschten die Wissenschaftler im Auftrag der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung die Gebiete des damaligen Deutsch-Neuguinea. Aber der Blick des Wissenschaftlers unterscheidet sich von dem eines Einheimischen.

Diese betrachten die Masken nicht bzw. nicht primär unter ästhetischen Gesichtspunkten, für sie sind es keine Kunstwerke, sondern religiöse Objekte, die ihre Funktion innerhalb des Ritus haben. Ist dieser vorbei, ist auch die spirituelle Kraft daraus entwichen. Die Masken werden nicht unbegrenzt aufbewahrt, sondern nach einer gewissen Zeit im Urwald "entsorgt" oder auch rituell verbrannt.

"Deshalb sind viele unserer Masken wichtige Belegstücke für Darstellungsweisen und Formen, die in den Ursprungsländern gar nicht mehr bekannt sind", erklärt Dr. Kokott: "Die Nachkommen haben inzwischen ein enormes Interesse daran, diese inzwischen historischen Masken zu sehen, um wieder daran anknüpfen zu können." Aus diesem Grund pflegt das Museum für Völkerkunde Hamburg eine Partnerschaft mit Ethnien in Neubritannien.

Die Insel, die zur Zeit der deutschen Kolonialherrschaft Neupommern hieß, war ein Forschungsschwerpunkt im ersten Jahr der Hamburger Südsee-Expedition vor 100 Jahren. Im Juli 2006 übergab die Hamburger Wissenschaftlerin Dr. Antje Kelm dem Museum von Kokopo zehn großformatige Farbfotografien von besonders wertvollen Masken, die von den Mitgliedern der Hamburger Südsee-Expedition erworben wurden und nun auch im neuen Maskensaal zu sehen sind. "Ohne den europäischen Sammlerdrang wären diese Dinge nicht so lange erhalten geblieben", meint Dr. Kokott.

Umso größer ist die Verantwortung des Museums, diese Artefakte für die Zukunft zu sichern. Als der alte Maskensaal aufgelöst wurde, stellte sich heraus, dass sich viele der Objekte in einem bedenklichen Zustand befanden. Da die Masken früher nicht hinter Glas präsentiert wurden, hatte sich vielfach eine dicke Staubschicht abgelagert. Von Zeit zu Zeit waren sie zwar gereinigt worden, doch jedes Absaugen ist zwangsläufig mit einem Materialverlust verbunden. In einigen Fällen mussten die Restauratoren Pionierarbeit leisten, denn im Umgang mit den pflanzlichen Materialien gab es bisweilen kaum Erfahrungen. Manchmal erforderte die Restaurierung einer einzigen Maske mehrere Wochen, bestimmte Materialien begannen schon bei der leichtesten Bewegung zu zerbröseln. Umso wichtiger ist es, dass die fragilen Artefakte im neuen Maskensaal unter Bedingungen aufbewahrt werden, die ihr Überleben für weitere 100 Jahre sichern.

Zu sehen sind jetzt ungefähr 200 Masken, dazu aber auch Gegenstände aus dem Umkreis der Maskenkulte, zum Beispiel Skulpturen von den neuirländischen Totenfesten, oder Musikinstrumente, die bei Maskenauftritten verwendet wurden, aber auch Ahnenfiguren und Tanzschmuck. Ein großer Teil der ausgestellten Masken stammt von der Hamburger Südsee-Expedition, die sich 1908/09 in Melanesien aufhielt. Der Schwerpunkt liegt hier auf Neubritannien mit der Gazelle-Halbinsel, wo die Tolai, die Sulka und die Baining leben. Außerdem gibt es Masken aus dem Sepik-Gebiet und vom Papua-Golf Neuguineas, aber auch aus Neuirland, Vanuatu und Neukaledonien. Einzelstücke stammen zum Beispiel von den Salomonen. Sie wurden aber keineswegs ausschließlich von der Hamburger Südsee-Expedition erworben. Wichtige Stücke sind auch Schenkungen von dem Kaufmann Max Thiel. Dieser war erst Prokurist und dann Geschäftsführer der Niederlassung der Hamburger Firma Hernsheim & Co. auf der Insel Matupit in Neupommern. "Ich ordne die Masken so an, dass man sie sowohl stilistisch als auch thematisch gut vergleichen kann", sagt Dr. Kokott. Auf Texttafeln wird der Kontext erläutert. Was sind überhaupt Masken? Zu welchen Anlässen treten sie auf? Welche Bedeutung haben sie für die Menschen?

Eines der auffälligsten Exponate ist zwischen den Masken-Vitrinen in den erhöhten Teil des Fußbodens eingelassen: ein riesiges Krokodil vom Korewori, einem Nebenfluss des Sepik, dem größten Strom Neuguineas. "Ursprünglich soll es mal 15 Exemplare dieser Art gegeben haben, unseres ist mit einer Länge von 6,50 Metern nicht nur eines der längsten, sondern auch eines der am besten erhaltenen", sagt Dr. Kokott. Im Einflussgebiet des Sepik gibt es eine besonders reiche Schnitztradition, die hier entstandenen Erzeugnisse sind weltberühmt. Für die Menschen hier spielt das Krokodil eine besonders wichtige Rolle. Im Schöpfungsmythos der Iatmul wird von einem mythischen Krokodil berichtet, das vom Grund des Urmeers Schlamm heraufgeholt. Daraus entstand eine Insel auf dem Rücken des Krokodils. Sie wurde zum Lebensraum für Menschen und Tiere. Tiere kommen auch in anderen Mythen vor. Diese Geschichten werden von Generation zu Generation überliefert und oft auch bei den Maskentänzen szenisch dargestellt.

Natürlich werden in Melanesien Tiere gejagt und verzehrt, sie bilden aber vielfach auch die Grundlage für die Herstellung von Masken. Tiere inspirieren nicht nur in der Formgebung den Maskenbau, sondern liefern neben den Pflanzen vielfach auch die Materialien, aus denen Tanzschmuck und Masken angefertigt werden. Die Federn des berühmten Paradiesvogels, des heutigen Wappentiers Papua-Neuguineas, finden dabei genauso Verwendung wie Kasuar-Federn, Hundezähne, Schneckenhäuser und Schildpatt. Manche Masken symbolisieren auch Tiere. Die Ausstellung thematisiert diesen Aspekt durch einzelne Stationen, die zur Entdeckung der Tierwelt Melanesiens einladen.

Wie sich die Masken bewegen, wie mit ihnen getanzt wurde und teilweise auch heute noch getanzt wird, kann der Besucher in einem eigenen Medienbereich erleben, wo ethnologische Filme zu sehen sind. Dabei handelt es sich zum Beispiel um historisches Material von weit zurückliegenden Expeditionen, aber auch um Videos, die erst in den letzten Jahren im Rahmen von Forschungsaufenthalten entstanden sind. Texte, die in Deutsch, Englisch, Französisch und teilweise auch in Tok Pisin, der Umgangssprache auf Papua-Neuguinea abgefasst sind, erläutern die Maskenbräuche. Einige von ihnen gehören der Vergangenheit an, andere werden bis heute gepflegt. Die Neupräsentation des Maskensaals bildet den Auftakt für die Umgestaltung der kompletten Südsee-Abteilung, die in den nächsten Jahren Schritt für Schritt realisiert werden soll.


Masken der Südsee, Neupräsentation des Maskensaals ab 21.9., Museum für Völkerkunde, Rotenbaumchaussee 64, geöffnet Di-So 10-18 Uhr; www.voelkerkundemuseum.com