Die Auswanderung nach Südamerika ist ein neuer Schwerpunkt der Hauptausstellung.

Ein gutes Jahr nach ihrer Eröffnung hat die BallinStadt Anfang September die Hauptausstellung erweitert. Hinzu gekommen ist als neuer Themenschwerpunkt die deutsche Auswanderung nach Südamerika, speziell in die Länder Argentinien, Brasilien und Chile. Die Inszenierung vermittelt subtropisches Klima; der Besucher kann in eine Holzhütte hineinschauen, in der ihn ein ausgewanderter Deutscher begrüßt: In einer Filmsequenz verkörpert der Schauspieler Oliver Hermann einen Auswanderer, der in Brasilien Fuß gefasst hat und von seiner Überfahrt und den Anfängen im fremden Land berichtet. "Es ist ein Text, den wir auf der Grundlage überlieferter Erfahrungen von eingewanderten Deutschen geschrieben haben", sagt Jorge Birkner, der zuständige Historiker der BallinStadt. "Über Südamerika waren die auswanderungswilligen Deutschen sehr viel schlechter informiert als über die Situation in den USA. Außerdem erlebten sie die klimatischen Verhältnisse hier oft belastender als in Nordamerika. Auch die Arbeitsbedingungen waren vielfach härter", berichtet Birkner und erzählt von den zahlreichen deutschen Auswanderern, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als in Brasilien die Sklaverei nach und nach abgeschafft wurde, den Arbeitskräftebedarf decken mussten. Manchmal wurden die Einwanderer kaum besser behandelt als vor ihnen die Sklaven, die sie nun zu ersetzen hatten.

Angenehmer war die Situation in Blumenau. Die Stadt liegt im brasilianischen Bundesstaat Santa Cantarina, sie wurde 1850 von deutschen Auswanderern um den Apotheker Hermann Blumenau gegründet und hat ihre deutschen Wurzeln bis heute bewahrt. Hier gibt es Fachwerkarchitektur, deutsche Biergärten und zu den jährlichen Höhepunkten gehört das Oktoberfest. Blumenau ist heute auch Hochtechnologiezentrum und verfügt über zahlreiche Textilfabriken. Zusätzlich zu den neuen Elementen der Hauptausstellung ist im Foyer auch eine Wanderausstellung zu Geschichte und Gegenwart von Blumenau zu sehen, die Jutta Blumenau-Niesel, die heute in Berlin lebende Urenkelin von Hermann Blumenau, konzipiert hat.

Über die Integration der deutschen Einwanderer in ihre neuen Heimatländern dokumentiert die Ausstellung u a. ein erstaunliches Schicksal: 1883 emigrierte der 16-jährige Wilhelm-August Geisel aus Herborn bei Wetzlar nach Brasilien. 1908 wurde sein Sohn Ernesto geboren, der eine Militärakademie besuchte und bei den Streitkräften Karriere machte. Er war an mehreren Militärputschen beteiligt und wurde 1974 während der Militärdiktatur Präsident Brasiliens. Allerdings bemühte er sich um eine politische Öffnung, schaffte die Zensur ab und trug dazu bei, das Land auf die Demokratisierung vorzubereiten. "Ernesto Geisel war eine widersprüchliche Persönlichkeit, aber von ganz anderer Statur als etwa Augusto Pinochet in Chile", meint Jorge Birkner, und fügt hinzu: "Er hat wesentlich dazu beigetragen jenes System abzuschaffen, dass ihm zum Aufstieg verholfen hatte. Er hat das System für die Demokratie geöffnet und damit als Staatsmann entschieden und nicht als Vertreter einer Militärlobby." Unterstützt wurde die Ausstellung von Amalia Geisel, der Tochter des Präsidenten, die der BallinStadt Material über ihre Familie zur Verfügung stellte. Einen allgemeinen Einblick in die Auswanderung nach Argentinien, Brasilien und Chile bietet außerdem eine Wanderausstellung des Iberoamerikanischen Instituts, die - wie auch die Blumenau-Ausstellung - bis zum 30. November zu sehen ist.


BallinStadt Auswandererwelt Hamburg Veddeler Bogen 2, täglich 10-18 Uhr (17 Uhr letzter Einlass), T. 31 97 91 60; www.ballinstadt.de