Eine Ausstellung zeigt 90 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen des Künstlers, der dem Umkreis des Expressionismus angehört.

An früh Verstorbene, an Vergessene zu erinnern hat im Ernst Barlach Haus mittlerweile Tradition. Anfang des Jahres würdigte das Haus den jung verstorbenen Portugiesen Amadeo de Souza-Cardoso mit einer Retrospektive. Mit Walter Gramatte (1897-1929) präsentiert es jetzt einen Künstler aus dem Umkreis des Expressionismus.

Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff waren mit Gramatte bekannt. Dem Expressionisten aus der "Zweiten" oder auch "Verschollenen Generation" waren 15 Jahre Schaffenszeit beschieden. Er starb an Tuberkulose, litt zeitlebens an mangelhafter Gesundheit. Aus seinem Werk zeigt das Barlach-Haus insgesamt 90 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Mappen und Buchillustrationen.

Als müde und krank, als zittrig und entkräftet beschrieb sich Gramatte. "Ich fühle mich so, als wäre ich eine verwackelte fotografische Aufnahme", notierte er Mitte der 20er Jahre in einem Brief an seine innig geliebte Frau Sonia. In ihren Porträts zeichnet Gramatte zusehends seine eigene Psyche ein, spiegelt sich mitunter auch sein "Kosmos des Müden und Moribunden", wie es Karsten Müller, Leiter des Ernst Barlach Hauses in seinem Katalogbeitrag beschreibt. Die Bilder Sonias stellen nach den Selbstporträts die zweitgrößte Werkgruppe Gramattes dar. Neben Landschaften und Stillleben dominiert das Bild des Menschen sein Oeuvre. Darüber hinaus illustrierte Gramatte Texte, unter anderem von Georg Büchner und Nicolai Gogol.

Als 17-Jähriger hatte sich Gramatte freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Ernüchtert und aus dem Lebenszusammenhang gerissen kehrte er zurück. Seine Bilder umkreisen fortan die Einsamkeit menschlicher Existenz, mitunter magisch aufgeladen durch Blitze und leuchtende Auren. Aber es gibt auch Momente, wie im "Träumenden Knaben" (1921), in die Gramatte die Spuren der Hoffnung legt. "Er hat etwas von der Erkenntnis des Schmerzes der Menschheit, leidet und weiß zugleich, dass nichts umsonst ist", schreibt er über den Knaben an seinen Hamburger Mäzen Paul Rauert. "Diese Erkenntnis führt vom Ermüden meiner frühen Bilder zu einer Bejahung des Lebens."

Als Person kennt Gramatte auch andere Seiten: Selbstironie und Mutterwitz. Als scharf und spöttisch bezeichnet er eine seiner Adern. In seinen Bildern jedoch dominiert ein existentialistischer Zug, der den Menschen von elementaren Nöten und Ängsten, weniger von gesellschaftlichen und politischen Umständen, gezeichnet sieht. Mit dem Ziel, "zufallslose Magie zu schaffen", lädt der Künstler seine Protagonisten und ihr Umfeld häufig leuchtend-farbig auf, gleichsam als walteten unbekannte und höhere Kräfte im menschlichen Wesen.

Von einigen Reisen und einem versuchten Ortswechsel nach Barcelona abgesehen, blieb Gramatte überwiegend seiner Heimatstadt Berlin treu. Besondere Verbindungen pflegte er zu Hamburg. Hier traf er auf Sammler und Mäzene. Im Kunstsalon Maria Kunde stellte er aus, und mit der Kunsthistorikerin Rosa Schapire verbanden ihn und seine Frau eine große Freundschaft. Ein Studium der Kunst hatte Gramatte 1915 begonnen, zwei Jahre später aber wieder aufgegeben.


Wiederentdeckt: Walter Gramatte (1897-1929) , Ernst Barlach Haus, Jenischpark, Baron-Voght-Str. 50 a, T. 82 60 85 26, www.barlach-haus.de , 10.08 bis 1.2.09, Di-So 11-18 Uhr. Katalog ca. 29 Euro