Als die Kritik an ihrer zögerlichen Reaktion auf die weltweite Wirtschaftskrise anschwoll, flüchtete sich Angela Merkel in Rhetorik. Auf dem...

Als die Kritik an ihrer zögerlichen Reaktion auf die weltweite Wirtschaftskrise anschwoll, flüchtete sich Angela Merkel in Rhetorik. Auf dem CDU-Parteitag in Stuttgart wählte sie einen Kniff, der an John McCain erinnerte, und nahm Bezug auf den Durchschnittsbürger. Während der US-Präsidentschaftskandidat einen Klempner namens Joe erfand, stützte sich die Bundeskanzlerin auf die Lebensweisheit einer schwäbischen Hausfrau: Man könne nicht über seine Verhältnisse leben.

Internationale Staatsmänner wie Nicolas Sarkozy oder Gordon Brown werden sich so nicht davon abbringen lassen, dass weitergehende Schritte zur Stimulierung der Konjunktur und vor allem Steuersenkungen das Gebot der Stunde sind. Wirtschaftsexperten dürften ebenfalls skeptisch bleiben, ob das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts jetzt Vorrang haben sollte.

In ihrer eigenen Partei hat es Merkel leichter - allzu leicht. Der Wunsch nach raschen Entlastungen, der sich im Vorfeld des Parteitags regte, blieb in Stuttgart weitgehend stumm. Selbst Friedrich Merz, schärfster Kritiker der Kanzlerin, unterstützte im Grundsatz eine Politik des Abwartens. Die Kanzlerin erhielt 95 Prozent, ihr Steuerkonzept sozialistische 100 Prozent der Delegiertenstimmen. Ein Ergebnis, in dem sich keine Zweifel spiegeln, ist für die CDU eine ideale Basis für das bevorstehende Superwahljahr. Gleichzeitig ist der Grad der Zustimmung gefährlich, nicht nur für die Partei, wenn er als Freibrief zur Fortsetzung eines umstrittenen Krisenmanagements missverstanden wird.

Die CDU entwickelt sich zum Planeten Merkel, auf dem schnelle Steuersenkungen auch deswegen kein Thema sein dürfen, weil sie andernfalls nicht mehr als Wahlversprechen taugen. Im restlichen Universum, auch in der Schwesterpartei CSU, wächst das Befremden über diese Haltung. Frau Merkel sollte sich in diesen Tagen tatsächlich einmal in Stuttgart umhören. Dann würde sie erfahren: Schwäbische Hausfrauen gehen nur einkaufen, wenn sie genug Geld in der Tasche haben.