Der Sturz von Kurt Beck ist von langer Hand vorbereitet worden, behaupten führende Sozialdemokraten.

Berlin. Das Bild, das sich am Sonntag um die Mittagszeit am Schwielowsee in Brandenburg bot, sprach Bände: Durch den Vordereingang betraten um 12.58 Uhr die SPD-Parteivize Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Andrea Nahles sowie Fraktionschef Peter Struck und Generalsekretär Hubertus Heil das Tagungshotel. Drei Minuten später, fast unbemerkt, schlich Kurt Beck durch den Hintereingang zu den knapp 50 Genossen, die hier seit zwei Stunden gewartet hatten. Nach nur einer Viertelstunde verließ er - ebenfalls durch den Hintereingang - das Hotel ebenso wortlos wieder, wie er gekommen war. Die Botschaft war unmissverständlich: Er und die Partei gehen getrennte Wege. Es habe ihm aufgrund der Vorgänge der vergangenen Wochen "die Kraft gefehlt", das Amt weiter zu führen, soll Beck in der Sitzung gesagt haben.

Schon zum Rücktritt entschlossen, hatte Beck noch am Sonntagmorgen Steinmeier und Steinbrück einen überraschenden Vorschlag gemacht: Olaf Scholz solle sein Nachfolger werden. Das wäre eine Personalie mit erheblicher Pikanterie gewesen: Schließlich hatte Scholz als SPD-Generalsekretär zu Schröder-Zeiten ziemlich glücklos agiert und musste letztendlich zurücktreten, als Schröder den Parteivorsitz an Franz Müntefering abgab. Ob die Erinnerung an diese Zeit eine Rolle gespielt hat oder nicht: Steinmeier und Steinbrück lehnten den Beck-Vorschlag ab und bestanden darauf, dass Franz Müntefering das Amt des Parteivorsitzenden übernimmt.

Allerdings - die ganze Geschichte des Rücktritts von Beck ist noch längst nicht geschrieben. Nicht nur die SPD-Linke beschäftigt sich intensiv weiter mit der Frage, was den abrupten Abgang eigentlich auslöste - und wer am Drehbuch mitgeschrieben hat. "Die Art, wie Beck gegangen ist oder gehen musste, hat schon einen Beigeschmack", meinte etwa Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Unter führenden Sozialdemokraten macht mittlerweile sogar das Wort vom Putsch die Runde. Steinmeier habe der Parteiführung ein Ultimatum gestellt: "Entweder wird Müntefering SPD-Chef, oder ich mache nicht den Kanzlerkandidaten." Aus der Parteilinken hieß es entsprechend: "Willkommen im Klub der Königsmörder!"

Andrea Nahles spricht bereits von "Heckenschützen aus den eigenen Reihen". Andere werden sogar noch deutlicher. Schon zuvor habe der Vizekanzler gemeinsam mit Vertrauten von Franz Müntefering daran gearbeitet, Beck wegzumobben, sagte ein führender Genosse, der seinen Namen nicht genannt haben will, dem Abendblatt. Natürlich hielten dennoch alle zu Steinmeier: "Wir werden alles dafür tun, dass er Bundeskanzler wird." Man könne nur hoffen, dass der programmatische Weg, den Beck begonnen habe, fortgesetzt werde. Die Chancen stünden schlecht: "Diejenigen, die jetzt das Ende der Flügelkämpfe beschwören, sind selbst die größten Flügelkämpfer."

Kurt Beck hatte mit den dunklen Andeutungen in seiner Rücktrittserklärung die Putsch-These noch genährt. Die Medien seien mit "gezielten Falschinformationen" gefüttert worden. Ob er die Urheber dafür im nicht weit entfernten Auswärtigen Amt oder anderswo vermutet, ließ er offen.

Ob der (Ex-)Parteichef tatsächlich mit derart fein gesponnenen Methoden aus dem Amt gedrängt werden sollte, bleibt zunächst in der Schwebe. "Er ist gegangen worden, irgendwelche Medienintrigen waren dabei nicht entscheidend. Beck war ein Getriebener", sagt der Berliner Historiker Paul Nolte. Fest stehe aber: "Steinmeier musste ihn loswerden, weil das sonst mit seiner Kandidatur nicht funktioniert hätte." Ob der Werbeslogan, mit dem das Tagungshotel am Schwielowsee um Gäste wirbt, vor diesem Hintergrund irgendwann einmal zum Motto dieses "SPD-Sonntags" werden könnte, ist eher unwahrscheinlich. Er lautet: "Ziemlich nah am Paradies".