Die Gewerkschafter in Hamburgs SPD sind nicht besonders glücklich über die Personalentscheidungen an der SPD-Bundesspitze. “Das ist ein klarer...

Hamburg. Die Gewerkschafter in Hamburgs SPD sind nicht besonders glücklich über die Personalentscheidungen an der SPD-Bundesspitze. "Das ist ein klarer Rechtsruck und eine rückwärtsgewandte Entscheidung", sagte die frühere stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und IG-Metall-Küste-Chefin Jutta Blankau. "Franz Müntefering steht für die Rente mit 67 und gegen die Altersteilzeit. Ich kann mit dieser Entwicklung nichts anfangen. Ein Bekannter hat mir heute schon erklärt, nun werde er aus der SPD austreten."

Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Hamburger Ver.di-Chef Wolfgang Rose warnte indirekt vor einer erneuten Abkehr der SPD von den Gewerkschaften. "Mit dem 'Hamburger Programm' und Korrekturen an der Agenda-Politik hat die SPD wieder stärker die Nähe der Gewerkschaften gesucht", sagte Rose dem Abendblatt.

"Steinmeier und Müntefering werden nur Erfolg haben, wenn sie diesen Kurs fortsetzen. Mindestlohn, Missbrauch von Leiharbeit, Altersarmut und Steuergerechtigkeit - die Arbeitnehmer brauchen eine SPD, die sich für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzt, und keine blinde Fortsetzung der Agenda-Politik."

Besonders scharfe Kritik übte der frühere SPD-Sozialsenator Jan Ehlers an den jüngsten Ereignissen. "Es ist eine falsche Entscheidung, jetzt schon einen Kanzlerkandidaten zu nominieren", sagte Ehlers. "Ich bewundere den Beck dafür, dass er uns über Wochen und Monate den Ärger vom Hals gehalten hat." Bei den "sogenannten Reformern" dagegen falle vor allem auf, dass sie so viele handwerkliche Fehler machten. Es sei auch angesichts des laufenden Untersuchungsausschusses fraglich, ob Steinmeier der Richtige sei, so Ehlers. Nun sei die neue Führung aufgerufen, Korrekturen an der Agenda vorzunehmen. "Auch die Rente mit 67 ist Quatsch", so Ehlers. "Wir schaffen es ja nicht mal, die Leute mit Anfang 60 in Arbeit zu bringen oder zu halten." Es wäre aber "perfide", wenn man auf diese Weise lediglich die Renten senken wolle. Zugleich betonte Ehlers, dass gerade Müntefering mit seiner großen Popularität womöglich am besten in der Lage sein könnte, die Korrekturen an seiner eigenen Politik vorzunehmen. Einen Ruck nach rechts sehe er nicht. "Denn schließlich müssen die ja jetzt die ganze Partei mitnehmen."

Die Wirtschaft erhofft sich von der Rückkehr Franz Münteferings hingegen eine Stärkung der Reformkräfte in der Partei. Jetzt böte sich die Chance, die Agenda 2010 entschlossen fortzusetzen, sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt.