Sozialdemokraten: Kurt Beck wird neuer Parteivorsitzender. Nach nur fünf Monaten wieder ein Führungswechsel. Peter Struck: “Die Partei ist verstört.“

Berlin. Mit dieser Entscheidung hatte in Berlin niemand gerechnet: Nach nur fünf Monaten im Amt ist der SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck gestern überraschend zurückgetreten. "Ich mußte in den letzten Tagen die mit Sicherheit schwierigste Entscheidung meines bisherigen Lebens treffen", sagte er nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums. Zwei Hörstürze sowie ein Kreislauf- und Nervenzusammenbruch hätten ihn zu diesem Schritt gezwungen.

Als Nachfolger nominierte die SPD-Spitze einstimmig den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck. Er soll Ende Mai auf einem Parteitag gewählt werden. Platzeck bleibt Ministerpräsident in Brandenburg. In einem Telefongespräch sicherte Beck Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Fortsetzung der Zusammenarbeit in der großen Koalition zu.

Platzecks Entscheidung wurde in Koalition und Opposition mit großem Respekt aufgenommen. Der 52jährige selbst begründete seinen Rückzug in einer ausführlichen persönlichen Erklärung. Danach hatte er in den vergangenen Monaten weitaus größere Gesundheitsprobleme als bisher bekannt. Einen ersten Hörsturz erlitt Platzeck bereits zum Jahreswechsel, nahm ihn nach eigener Aussage damals jedoch nicht ernst. Am 11. Februar folgte dann "ein Kreislauf- und Nervenzusammenbruch" - in der Öffentlichkeit war damals von einer Grippe die Rede gewesen. Dann kam am 29. März der zweite Hörsturz, der zu einem "erheblichen Verlust des Hörvermögens" führte. Die Rücktritts-Entscheidung war nach Angaben aus der Partei eng mit Beck und Vizekanzler Franz Müntefering abgestimmt.

SPD-Fraktionschef Peter Struck sieht jetzt "schwere Zeiten" auf die SPD zukommen. "Ich glaube schon, daß die Partei verstört und betroffen sein wird", sagte er. Mit Platzeck verliert die SPD zum zweiten Mal in einem halben Jahr einen Vorsitzenden. Franz Müntefering hatte Ende Oktober, mitten in den Koalitionsverhandlungen, nach einer Niederlage im Vorstand seinen Rückzug als SPD-Chef erklärt.

Beck lobte, Platzeck habe einen "neuen, guten Stil" und die Idee der Teamarbeit in der SPD-Führung etabliert. Dies will Beck, der auch seinen ersten Zugriff auf die nächste Kanzlerkandidatur bekräftigte, fortführen und inhaltlich an die von Platzeck vorgegebene Grundlinie anknüpfen. Generalsekretär Hubertus Heil und Bundesgeschäftsführer Martin Gorholt sollen ihre Posten behalten. Als neuer Vize-Parteichef wurde der sachsen-anhaltinische SPD-Landespolitiker Jens Bullerjahn nominiert.