Koalitionen: Immer mehr Unionspolitiker für Verhandlungen mit den Grünen. Ministerpräsident Althaus: “Es ist viel in Bewegung gekommen, auch durch den Amtsverzicht von Fischer.“

Berlin. Trotz großer Skepsis bei den Grünen machen sich immer mehr Unions-Spitzenpolitiker für intensive Verhandlungen über eine "Jamaika"-Koalition mit der Ökopartei und der FDP stark. Die Ministerpräsidenten von Thüringen und Sachsen, Dieter Althaus und Georg Milbradt (beide CDU), sahen gestern die Chancen für ein erstes schwarz-gelb-grünes Bündnis gestiegen, weil sich Außenminister Joschka Fischer nicht mehr in der ersten Reihe der Grünen engagieren will.

Auch Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff und Ex- Parteichef Wolfgang Schäuble (beide CDU) plädierten für ein konkretes Ausloten einer solchen Koalition. "Für Jamaika spricht, daß es eine Chance geben könnte, sich auf ein Programm zu verständigen, das die Arbeitslosigkeit abbaut und die Wirtschaft wieder dynamisch macht", sagte Schäuble. Bei einer Koalition von Union und SPD befürchte er die Stärkung der Links- und Rechtsextremisten.

Nach der klaren Bestätigung für Angela Merkel als Unions-Fraktionsvorsitzende wandten sich weitere führende Unions-Politiker gegen die SPD-Forderung, wonach eine große Koalition nur ohne die CDU-Vorsitzende als Kanzlerin denkbar sei.

Mit Blick auf die geplanten Sondierungsgespräche zwischen Union und Grünen sagte Althaus: "Es ist viel Bewegung hereingekommen, auch durch den Amtsverzicht von Fischer." Er forderte von der Union Offenheit für die Sondierungsgespräche. Eine große Koalition mit der SPD schloß er aber ebensowenig aus wie ein "Jamaika"-Bündnis. Milbradt sah nach Fischers Rückzug ebenfalls mehr Gemeinsamkeiten mit den Grünen. "In den Bereichen der Wirtschaftspolitik und im Verhältnis von Staat und Gesellschaft gibt es Berührungspunkte", sagte er der "Sächsischen Zeitung".

Auch Wulff, der sich zuvor eher in Richtung große Koalition geäußert hatte, verwies auf Schnittmengen mit den Grünen. In einer Diskussion von Deutschlandradio Kultur und dem Fernsehsender Phoenix betonte er am Dienstag abend Gemeinsamkeiten beider Parteien in der Finanzpolitik. Die Union brauche aber von den Grünen ein Signal, daß auch für sie Arbeit und Wachstum Vorfahrt hätten. Schäuble sprach im WDR von "grundsätzlichen Einwendungen gegen eine große Koalition".

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos hält eine Koalition mit FDP und Grünen für denkbar. "Ob sie praktisch durchsetzbar ist, läßt sich im voraus nicht schlüssig beantworten", sagte er dem "Bayernkurier". Eine große Koalition unter Führung von Kanzler Schröder schloß er "kategorisch" aus.

Der Umweltexperte der CSU-Landesgruppe, Josef Göppel, sprach sich nachdrücklich für eine Zusammenarbeit von Union und Grünen aus. Beide hätten "gemeinsame konservative Grundwerte", sagte er dem "Nordbayerischen Kurier". Eine "Jamaika"-Koalition komme, wenn die arithmetischen Voraussetzungen paßten und Union, FDP und Grüne das wollten.