Berlin. Politiker wie der nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann beklagen, daß innerhalb der Union die sozialen Themen im Wahlkampf eine zu geringe Rolle gespielt haben. In dieses Horn stieß gestern auch der Präsident des bayerischen Landtags, Alois Glück (CSU). Für beide Unionsparteien gelte seit längerem, daß sie nicht die "richtige Verbindung von ökonomischer Kompetenz und Sozialkompetenz sowie sozialer Sensibilität" gehabt hätten.

Glück beklagte zudem, die Politik der Union sei zu "technokratisch angelegt" gewesen. Notwendig sei aber auch ein gesellschaftspolitisches Leitbild, für das es sich lohne zu kämpfen, "etwa im Sinne der Verbindung von Leistung und Solidarität". CDU und CSU seien "in eine Gerechtigkeitskampagne der SPD hineingelaufen".

Auch der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler machte einen zu marktliberalen Kurs seiner Partei für die Wahlschlappe verantwortlich. Mit 35 Prozent habe die Union den Charakter einer Volkspartei verloren. Den gelte es jetzt zurückzugewinnen.

Das Thema wird nach den Koalitionsverhandlungen schnell wieder in den Mittelpunkt rücken. Und auch die Protagonisten werden weitgehend die gleichen bleiben, denn bei der komplizierten Materie gibt es nur wenige Parlamentarier, die sich darauf spezialisiert haben. Doch auch neue Gesichter sind dabei.

Zum Beispiel Karl Lauterbach. Der Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ist für die SPD neu im Bundestag. Er gewann seinen Wahlkreis Köln/Leverkusen direkt. Gemeinsam mit SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles, die jetzt auch im Bundestag ist, wird er die Debatte um die Bürgerversicherung vorantreiben.

Darüber hinaus werden es die bekannten Gesichter sein: Horst Seehofer, dessen genaue Rolle in der Unionsfraktion allerdings noch nicht definiert ist, Annette Widmann-Mauz von der CDU, Brigitt Bender von den Grünen und Daniel Bahr bei der FDP.

In welcher Funktion sich Ministerin Ulla Schmidt, ihre derzeitige Staatssekretärin Marion Caspers-Merk und die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel (alle SPD) in der neuen Legislaturperiode wiederfinden, ist noch unklar.

Auch bei den Experten für Renten- und Arbeitsmarktpolitik gibt es eine Mischung aus alten und neuen Gesichtern. Bei der SPD setzt wahrscheinlich Klaus Brandner die Arbeit fort. Mit einsteigen in die Parlamentsarbeit könnte Franz Thönnes, derzeit Staatssekretär bei Ulla Schmidt.

Bei der Union rückt nach dem Fortgang des Arbeitsmarktexperten Karl-Josef Laumann, der jetzt als Sozialminister in Düsseldorf ist, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ronald Pofalla nach. Seine künftige Rolle ist aber noch offen. Beim Thema Renten wird wie bislang Andreas Storm ein deutliches Wort mitreden. Für die Grünen werden wie bisher Thea Dückert und Markus Kurth die Arbeit in den Ausschüssen übernehmen. In der FDP-Fraktion kümmert sich Heinrich Kolb um die Sozialthemen, das Thema Arbeit ist derzeit noch bei Dirk Niebel, dem vielbeschäftigten Generalsekretär der Liberalen, angesiedelt. Ob der noch die Zeit finden wird, sich mit seinem alten Spezialgebiet weiter intensiv zu beschäftigen, ist fraglich.