Bündnissuche: Bewegung in Berlin. Ort des Gesprächs geheim. Zeitung: SPD will die CDU/CSU-Fraktion sprengen.

Berlin. Die gegenseitigen Vorbehalte von Grünen und FDP lassen den Druck auf Union und SPD wachsen, doch eine große Koalition zu schmieden. Auf der Suche nach stabilen Mehrheiten treffen heute Union und SPD zu ihrer mit Spannung erwarteten ersten Gesprächsrunde in Berlin zusammen. Anders als zunächst geplant wird neben SPD-Chef Franz Müntefering auch Bundeskanzler Gerhard Schröder seiner Herausforderin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber gegenübersitzen. Der Ort des Treffens wurde geheimgehalten.

Union wie auch SPD bekräftigten, jeweils unter der Führung ihrer Spitzenkandidaten Merkel und Schröder eine Regierung bilden zu wollen. Müntefering sagte gestern nach einem ersten einvernehmlichen Sondierungsgespräch mit den Grünen in Richtung der FDP: "Aber wir wissen, es muß ein Dritter mit an den Tisch." Die FDP lehnt bisher die Gespräche mit SPD und Grünen für eine "Ampel"-Koalition ab. Müntefering versicherte, eine Minderheitsregierung strebe die SPD nicht an. Eine Abgeordnete der Linkspartei kündigten allerdings an, entgegen der Devise der Parteispitze, eine Schröder-Minderheitsregierung unter Umständen tolerieren zu wollen.

Deutlich skeptischer als Müntefering äußerten sich die Grünen zu einer Zusammenarbeit mit der FDP. Dafür müsse sich die FDP "neu erfinden", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. Ebenso zurückhaltend bewertete die Grünen-Spitze die Chancen für eine "Jamaika"-Koalition mit Union und FDP. Die Grünen wollten keine Mehrheitsbeschaffer sein, sich aus Respekt vor dem Wähler aber Gesprächen mit der Union nicht verweigern.

Die SPD versucht weiter ihren Anspruch zu untermauern, als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen zu sein und somit nach der parlamentarischen Gepflogenheit in einer Koalition den Kanzler zu stellen. Laut "Süddeutscher Zeitung" plant sie, die Geschäftsordnung so zu ändern, daß CDU und CSU nicht mehr als gemeinsame Fraktion gelten. Bisher hat die Union 225 und die SPD 222 Sitze.

In der Union zeigten sich gestern möglicherweise erste Risse in der Unterstützung für CDU-Chefin Angela Merkel. In einer Sitzung der CSU-Landesgruppe im Bundestag sowie in anderen Runden habe Stoiber Merkel für die mißglückte Wahlkampfstrategie der Union indirekt verantwortlich gemacht, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". "Die wollte das so", habe Stoiber gesagt. Merkel habe zu kalt gewirkt. Wäre es nach der CSU gegangen, wäre die Kampagne emotionaler ausgefallen. Am Abend ließ Stoiber den Bericht dementieren.

Der frühere SPD-Chef Björn Engholm forderte Schröder und Merkel in den "Lübecker Nachrichten" auf, zurückzutreten und so den Weg freizumachen für eine große Koalition unter anderen Spitzenkandidaten.