Wollte man den Versuch unternehmen, das Abgrundböse in der Seele des Menschen, seine bisweilen abnormen Fähigkeiten zur Bestialität und zur Ergebung in niedrigste Instinkte, aber auch zur Leidensfähigkeit und bodenlosen Verzweiflung in einem einzigen Punkt zu konzentrieren, so wäre dies in Auschwitz.

Sich daran sechs Jahrzehnte später mit Erschütterung zu erinnern basiert nicht allein auf der reinen Mathematik des Todes, auf hirnlähmenden Zahlen von eineinhalb bis drei Millionen Toten. Auschwitz kann nicht mit Hinweis auf andere Massenmorde der Geschichte, wie sie sich etwa in der Sowjetunion Stalins oder dem China der Mao-Ära ereigneten, relativiert werden. Die Einzigartigkeit des Holocaust, dessen tiefste Höllenschlünde Namen wie Treblinka, Majdanek, Sobibor oder eben Auschwitz tragen, liegt, um Simon Wiesenthal zu zitieren, in der Kombination von Schafott und Aktenordner. Niemals zuvor sind Millionen Menschen in derart eiskalt organisierten Todesfabriken systematisch ermordet worden.

Bereits das Wort Konzentrationslager ist zum Sinnbild des Grauens geworden, doch Auschwitz-Birkenau war dessen unvorstellbare Eskalation - ein Vernichtungslager, dessen einziger Zweck der maschinenhafte Massenmord war. Hier an der Rampe wurden Kleinkinder aus den Armen ihrer schreienden Mütter in den Tod gerissen, hier selektierte der diabolische Mediziner Josef Mengele Opfer für seine entsetzlichen Experimente, hier zermalmte das Räderwerk der NS-Tyrannei menschliche Individuen, spieen die Krematorien Tag und Nacht öligen Rauch aus.

Auschwitz als absoluter Tiefpunkt der deutschen Geschichte, als reine Essenz der Menschenverachtung, ist aber mehr als eine geschichtliche Marke zur rituellen Erinnerung. Jedes Gedenken an Auschwitz weist in die Zukunft - als Warnung vor dem tödlichen Gift des Rassismus.