Sowohl die Länder als auch der Bund sehen sich durch den Richterspruch gestärkt.

Hamburg. Eine Woche vor Weihnachten hatte sich die Politik nach einem bislang beispiellosen Verhandlungspoker um die Reform des Staatswesens bis auf die Knochen blamiert. Ein Jahr harte Verhandlungen in der Föderalismuskommission waren am Ende am kleinlichen Kompetenzgerangel von Bund und Ländern beim Thema Bildung gescheitert. Die Fortsetzung dieser größten Staatsreform seit Jahrzehnten - erst mal vertagt auf St. Nimmerlein.

Jetzt aber hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zum Thema Studiengebühren vom Mittwoch die Debatte schneller wieder in Gang gebracht, als selbst die kühnsten Opimisten erwartet hatten. Denn die Karlsruher Richter haben in ihrem Votum ein deutliches Signal für die Zuständigkeiten im Bildungsbereich ausgesandt.

Das sieht auch Wolfgang Bosbach so, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag und Obmann von CDU/CSU in der Föderalismuskommission. Er wertet das BVG-Urteil als klare Bestätigung dafür, daß Bildungs- und Hochschulpolitik in die alleinige Zuständigkeit der Länder fällt. "Damit hat das Gericht die Position der Länder noch einmal deutlich gestärkt", sagte Bosbach dem Abendblatt. "Der Bund muß jetzt seine Haltung in der Föderalismuskommission beim Thema Bildung aufgeben. Wenn das passiert, dann gibt es auch eine echte Chance auf eine Einigung."

Die Gegenseite sieht dies freilich anders. "Dieses Urteil wird keine Auswirkung auf die weitere Entwicklung zu einer Einigung bei der Föderalismusreform haben", sagte die Fraktionschefin der Grünen, Krista Sager, dem Abendblatt. Der Bund habe den Ländern ja angeboten, Kompetenzen bei der Hochschulrahmengesetzgebung abzutreten. Das habe den Ländern aber nicht gereicht.

Nach der aktuellen BVG-Entscheidung stünden jetzt vielmehr die Länder unter enormem Beweisdruck, die vom Verfassungsgericht zugesprochene Kompetenz bei Studiengebühren gemeinsam verantwortungsvoll ausfüllen. "Derzeit erleben wir aber das Gegenteil", kritisert die Hamburger Grünen-Politikerin. "Schon jetzt ist zu sehen, daß die Länder bei der Frage der Studiengebühren in alle möglichen Richtungen auseinandersegeln. Das ist alles andere als vertrauenserweckend und birgt die Gefahr, sich zu einem kleinstaatlichen Chaos auszuwachsen. Kein Land scheint sich mehr für das große Ganze verantwortlich zu fühlen. Das wird am Ende dazu führen, daß wir nicht mehr Studienanfänger bekommen, sondern daß Studienplätze abgebaut werden."

Eine "Mischung aus Abstrusität und Unverschämtheit" sei es auch, daß sich Länder, "die sich gerade für Alleingänge bei den Studiengebühren entschieden haben, nun hinstellen und fordern, der Bund solle das BAföG erhöhen und den Ländern die Verpflichtung zur sozialen Abfederung abnehmen." Wolfgang Gerhardt, Fraktionschef der FDP im Bundestag, kann dem Streit um die Bildungskompetenz von Bund und Ländern nichts abgewinnen. "Ich halte das für völlig überflüssig", sagte er dem Abendblatt. Für ihn liegt die Lösung des Problems vielmehr im völligen Rückzug der Politik aus dem Hochschulbereich. "Was wir brauchen, ist ein echter Wettbewerb der Hochschulen - unabhängig davon, ob die Länder jetzt die alleinige Kompetenz haben, Studiengebühren zu erheben", sagte Gerhardt. Die Hochschulen sollten solche Entscheidungen selbst treffen dürfen. "Wenn sich Bund und Länder auf diese Art von Hochschulwettbewerb einigen könnten, dann könnte auch der Streit bei der Föderalismusreform schnell beendet werden."

Was wir brauchen, ist echter Wettbewerb unter den Unis. Sie sollen ihre Entscheidungen selbst treffen können.