US-Präsident Barack Obama wurde nach seiner Wahl gefeiert wie ein Popstar. Doch langsam folgt auf die Begeisterung die Enttäuschung.

Hamburg/Washington. Die Pariser Zeitung "Le Figaro", recht geübt darin, unbequeme Wahrheiten zu drucken, scheute nicht vor einer spektakulären Zeile zurück: "Barack Obama ist nicht der Messias". Gemessen an der Verehrung, die dem US-Präsidenten vor allem in Europa bei Amtsantritt zuteil wurde, eine geradezu unerhörte Einsicht.

Acht Monate später ist Obama noch immer der Welt größter Polit-Star und seine Beliebtheitswerte auf dem Alten Kontinent sind unverändert hoch. Und doch klaffen zwischen dem allzu hohen Anspruch an diesen Präsidenten und seinen politischen Erfolgen immer größere Lücken.

Die internationalen Ereignisse hätten die Grenzen der Wirksamkeit von Obamas Charme aufgezeigt, schrieb die "Washington Post" in einer Analyse. Und auch daheim beißt der Präsident mit einem Kernprojekt seiner Politik, der Gesundheitsreform, auf Granit. Der prominente Politologe David Bosco sprach von einem "Prozess der Enttäuschung".

Wenn Obama am Mittwoch zum ersten Mal vor den Vereinten Nationen spreche, dann werde er mit internationalen Führungspersönlichkeiten - Feinden wie Verbündeten gleichermaßen - konfrontiert, "deren Zurückweisungen des neuen amerikanischen Präsidenten daran erinnern, dass die Differenzen der Welt mit den USA über die Frage hinausgeht, wer im Weißen Haus sitzt", schrieb die "Post".

So hätten die europäischen Nationen sich geweigert, nennenswerte Truppenverstärkungen zu entsenden, um die Bemühungen der Amerikaner im Afghanistan-Krieg zu unterstützen. Zudem hätten sich nur wenige Staaten bereit erklärt, Häftlinge aus Guantánamo aufzunehmen. Die schottische Regierung habe alle Bitten Obamas ignoriert, den Lockerbie-Attentäter im Gefängnis zu behalten, und auch den Staatsstreich in Honduras habe Washington nicht abwenden können. Nordkorea fahre ungerührt damit fort, Atomwaffen zu entwickeln, der Iran könnte dasselbe tun, und die politischen Führer im Nahen Osten hätten Obamas Bemühungen um eine friedliche Lösung brüsk abgeschmettert. "Als er sein Amt antrat, gab es auf der ganzen Welt so etwas wie einen Seufzer der Erleichterung, dass er nicht Bush war", sagte Leslie H. Gelb, ein früherer Präsident des einflussreichen "Rates für Auswärtige Beziehungen" in New York. Man habe sich gefragt, was er tun werde, um die Probleme zu lösen. Und bislang noch nichts davon gesehen. Weder der Iran noch Russland honorierten Obamas Entgegenkommen, und auch die Palästinenser wissen seinen Einsatz nicht zu würdigen. Von den Israelis verlangt Obama ein Ende des Embargos gegen den Gazastreifen und der jüdischen Siedlungen auf Palästinensergebiet sowie eine Zwei-Staaten-Lösung. Von den arabischen Staaten verlangt er eine Normalisierung der Beziehungen zu Jerusalem. Bislang erfolglos. Die "Unfähigkeit" von Obamas Sondergesandtem George Mitchell, mit Israels Premier Benjamin Netanjahu eine Einigung über den umstrittenen Ausbau der jüdischen Siedlungen zu erzielen, zeuge von Obamas Unzulänglichkeiten", erklärte die Hamas. Sprecher Fausi Barhum sagte, Obama sei mit dem Versuch gescheitert, den Palästinensern zu helfen. Frustration wachse auf allen Seiten, schrieb die "Washington Post". Obama weiß, dass die Zeit drängt: Morgen will er sich deshalb mit Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu einem Krisengipfel treffen.

Die eigentliche Bewährungsprobe für Obamas Außenpolitik steht aber erst noch aus: Wenn die Europäer aufgrund hoher Verluste die ganze Afghanistan-Strategie infrage stellen.