Die Amerikaner wollen von ihrem Präsidenten wissen, wie er das billionenschwere Projekt finanziert. Sein Ansehen steht auf dem Spiel.

Washington. Angesichts sinkender Umfragewerte geht US-Präsident Barack Obama direkt nach der parlamentarischen Sommerpause in die Offensive: Mit einer Grundsatzrede vor beiden Kammern des Kongresses will er am kommenden Mittwoch zur besten Sendezeit das Ruder herumreißen und die Amerikaner doch noch von seinen heftig umstrittenen Plänen für eine Reform des Gesundheitswesens überzeugen. „Er wird darüber reden, wo wir in der Debatte stehen und was wir tun müssen, um die letzten zehn Meter auch noch zu schaffen“, sagte Obamas Chefberater David Axelrod vor Journalisten am Mittwoch.

Eines ist klar: Diesmal wird es nicht reichen, dass der Präsident einmal mehr als begnadeter Rhetoriker glänzt und lediglich die Vision einer „Krankenversicherung für Alle„ zeichnet. Nach wochenlangen leidenschaftlichen Debatten im ganzen Land, bei denen es zum Teil handgreiflich zuging, wollen die Amerikaner endlich wissen, wie das Vorhaben konkret umgesetzt werden soll. Und vor allem soll Obama erklären, wie er angesichts der Wirtschaftskrise und leerer Staatskassen das billionenschwere Mammutprojekt überhaupt finanzieren will.

Obamas Mitarbeiter deuteten an, dass ihr Chef den Ton in der Debatte verschärfen könnte. „Die Republikaner haben in den letzten paar Tagen mehr als klar gemacht, dass sie nicht ernsthaft an einer von beiden Parteien getragenen Lösung interessiert sind“, sagte der stellvertretende Kommunikationschef der Regierung, Dan Pfeiffer. Viele Befürworter der gesetzlichen Krankenversicherung plädierten deshalb bereits dafür, dass Obama die Mehrheit der Demokraten im Kongress nutzen solle, um das Vorhaben auch ohne Zuspruch der Republikaner durchzupeitschen.

Doch mittlerweile sind längst nicht alle Parteifreunde Obamas von dem Vorhaben überzeugt. In den vergangenen Wochen machten deshalb gerade im konservativen Flügel der Partei Alternativen zur rein staatlichen Versicherung die Runde, etwa genossenschaftlich organisierte Modelle, mit denen sich womöglich auch die einflussreichen Privatversicherer anfreunden könnten. Sollte Obama darauf eingehen, dürfte ihm jedoch die Parteilinke das Leben schwermachen.

Obamas Auftritt im Kongress verleiht dieser innerparteiliche Zwist zusätzlich Brisanz. Nur in wenigen Fällen spricht der Präsident vor Senat und Repräsentantenhaus gleichzeitig. Doch für Obama steht nicht weniger als sein wichtigstes innenpolitisches Projekt auf dem Spiel. Im Moment sieht er sich angeschlagen in der Ecke: In der Beliebtheitsskala stürzte er in Rekordzeit von komfortablen 68 Prozent beim Amtsantritt im Januar auf nunmehr um die 50 Prozent ab, Tendenz weiter sinkend. Von Obamania keine Spur mehr.

Statt dessen herrscht große Unsicherheit im Land. Die meisten Amerikaner sind laut einer Umfrage des Fernsehsenders CBS der Ansicht, Obama habe seine Pläne zum Umbau des 2,5 Billionen Dollar teuren Gesundheitswesens nicht ausreichend erklärt. „Die Demokraten haben die Kontrolle über die Gesundheitsdebatte verloren und sie müssen die Initiative ergreifen und den Leuten klar machen, was sie tun werden“, sagte Politikexperte Darrell West vom renommierten Brookings Institut in Washington.

Hinzu kommen zahlreiche andere Brandherde, die die Geduld der Amerikaner auf die Probe stellen – allen voran die anhaltende Rezession mit entsprechenden Folgen wie Arbeitslosigkeit, auch wenn zuletzt Licht am Ende des Tunnels aufblitzte. Außenpolitische Herausforderungen wie der Krieg in Afghanistan machen es Obama auch nicht leichter. „Es ist eine entscheidende Phase in seiner Präsidentschaft“, resümierte einer der Parteistrategen der Demokraten, Doug Schoen.