“Die El Kuds sind überall. Und sie sind verrückt“

Kerbela/Hamburg. Die amerikanischen und britischen Truppen stehen unerwartet vor dem klassischen Problem des Guerillakriegs: Wer ist der Feind? Nicht nur in der Nähe von Kerbela tauchen plötzlich Angreifer in Zivilkleidung auf, feuern auf alliierte Soldaten und verschwinden wieder. Wenn ein Lastwagen auf einem Feld steht, könnte dieser einem friedlichen Bauern gehören - oder aber eine Mörserbatterie unter der Plane verbergen. Guerilla-Taktiken führten zu der bislang für die Amerikaner verlustreichsten Schlacht: Vor der Stadt Nassirijah näherten sich irakische Soldaten einer US-Einheit - ganz offenbar in der Absicht, sich zu ergeben. Doch auf einmal zogen sie Waffen und eröffneten das Feuer. Neun US-Soldaten kamen ums Leben, andere wurden gefangen genommen. Im Irak gibt es durchaus eine militärische Infrastruktur für einen Guerillakrieg. US-Offiziere machen für einige Attacken die El-Kuds-Brigade verantwortlich. Diese paramilitärische Truppe wurde gegründet, um die Palästinenser im Kampf um Jerusalem zu unterstützen (El Kuds ist der arabische Name für Jerusalem). "Die El Kuds sind überall", sagt der Kommandeur des 4. Bataillons des 64. Panzerregiments, Oberstleutnant Philip DeCamp. "Und die El Kuds sind Verrückte." Offenbar haben die US-Kommandeure auch die "Saddam Fedajeen" unterschätzt, eine auf 20 000 bis 100 000 Mann geschätzte Truppe irregulärer Kämpfer. Sie bedienen sich ebenso wie die mehrere Hunderttausend Männer zählende Miliz der verschiedenen irakischen Clanchefs Guerillamethoden, die von der Haager Landkriegsordnung streng geächtet werden. El Kuds, Fedajeen und Clan-Milizen treten in Zivil auf und bedienen sich völkerrechtlich unerlaubter Methoden wie "menschlicher Schutzschilde" oder dem Transport von Waffen und Mannschaften in Rot-Kreuz-Fahrzeugen. Der alliierten Empörung darüber liegen eine Fehleinschätzung der arabischen Befindlichkeit und eine gewisse Portion Heuchelei zu Grunde. Auch US-Sondereinheiten wie die "Special Operations Group" der CIA kämpfen in Zivil, ohne erkennbaren Kombattantenstatus, und verletzen damit das Völkerrecht. Und die Araber werten die als "Befreiung" vom Saddam-Joch gemeinte Invasion als christlichen Eroberungs-Kreuzzug. In der Abwehr "ungläubiger Invasoren" ist traditionell jedes Mittel erlaubt. Im Übrigen hat ausgerechnet ein Brite Guerilla-Taktiken in Arabien populär gemacht: "Lawrence von Arabien" trainierte die Beduinen 1917 in "asymmetrischer Kriegsführung" gegenüber den Türken. Die Vermischung von Zivilisten und Militärs im Kampf kommt auch dem zynischen Kalkül Saddams entgegen, der annimmt, wenn er viele US-Soldaten tötet und viele Opfer in Zivil vorweisen kann, verliert US-Präsident George W. Bush die öffentliche Zustimmung zu seinem Feldzug.