Raketen auf belebtes Wohnviertel: Angeblich 14 Tote und 30 Verletzte. Wut in der Bevölkerung.

Bagdad. Ein staubiger Fernseher, ein kleiner Gasofen und ein Familienfoto - das sind die Habseligkeiten, die der Mann auf der Straße aus seiner zerstörten Wohnung in der irakischen Hauptstadt retten konnte. Der Familienvater stößt wüste Verwünschungen gegen US-Präsident George W. Bush aus: "Er wird unter unseren Stiefeln zertreten werden", flucht der Mann in die Fernsehkameras. Die Nachricht vom Raketeneinschlag in einem belebten Bagdader Wohnviertel hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. 14 Menschen sollen getötet, mindestens 30 weitere verletzt worden sein. Hunderte Menschen eilen herbei, um die Leidtragenden zu trösten. Ob es wirklich die Amerikaner waren, bleibt indes fraglich. US-General Stanley McChrystal sagte im Washingtoner Verteidigungsministerium: "Streitkräfte der Koalition haben keinen Marktplatz angegriffen noch sind Raketen oder Bomben auf den Bezirk abgeschossen worden." Eine Möglichkeit sei, dass Abwehrfeuer oder Boden-Luft-Raketen der Iraker ihr Ziel verfehlt und in dem Gebiet eingeschlagen seien. Die Hauptverkehrsstraße im Viertel El Schaab ("Stadt des Volkes") im Norden der irakischen Hauptstadt gleicht einem Trümmerfeld. Dutzende Wohnhäuser und Geschäfte, darunter viele Autowerkstätten, sind durch die Raketeneinschläge teilweise schwer beschädigt worden. Brennende Autowracks erhellen die durch einen Sandsturm in düsteres Orange getauchte Szene mit gespenstischem Flackern. Schlammiger Regen fällt auf die Hauptstadt, die sich seit Tagen unter heftigen Bombardements duckt. Der Automechaniker Abdel Dschabar Ali zeigt seine Verletzung am Arm. Er danke Gott, dass er noch glimpflich davongekommen sei, sagt Ali. "Meine Frau und meine Schwiegertochter sind im Gesicht verletzt worden. Sie mussten ins Krankenhaus gebracht werden", berichtet er und zeigt auf die Trümmer eines Automotors, die durch die Druckwelle in seinen kleinen Vorgarten geschleudert wurden. Wie durch ein Wunder sei seine Familie "dem Schlimmsten" entkommen, als ganze Mauerstücke herausbrachen und Türen und Fenster herausgerissen wurden. Ali selbst hat die Leichen zweier Männer gesehen, die durch die Explosion getötet wurden, als sie in einem Lokal zu Mittag aßen. "Die Rakete ist auf dem Bürgersteig eingeschlagen, und die Splitter sind bis in unser Haus geflogen", sagt Seif Dschamal. Der 20-Jährige trägt auf seiner Schulter einen rußgeschwärzten Fernseher die schmale Treppe hinunter ins Freie. Alle anderen technischen Geräte und die meisten Möbel seien verbrannt, klagt er. Schon rund eine Stunde nach dem Einschlag der Raketen um 11.30 Uhr Ortszeit strömen die Leute aus allen Teilen der Stadt herbei, um das Ausmaß der Katastrophe zu begutachten. Parolen wie "Wir opfern unser Blut und unsere Seele für Saddam" und "Bush, Bush, hör gut zu, wir alle lieben Saddam Hussein" ertönen immer wieder. Durch den Matsch bahnt sich langsam eine vom Alter gebückte Frau, in schwarzes Tuch gehüllt, ihren Weg über den zerstörten Bürgersteig: "Irak wird siegreich sein. Irak wird siegreich sein", murmelt sie.