Emil Nolde, Öl, 1940

Zu den vielen Bildern, die ich im Laufe der Jahre als kostbar für mich entdeckt habe, zählt auch dieses Bild von Emil Nolde. Es ist in einer Zeit entstanden, in der es in Deutschland sehr dunkel zuging und die Menschlichkeit in vielen Bereichen auf der Strecke blieb.

Das Bild zeigt einen älteren Mann auf einem dunklen Hintergrund, der um seine Blumen besorgt ist. Eine davon ragt in besonderer Weise heraus. Sie ist eine, deren Wachstum gut gelungen ist. Mit ihrer sehr hellen Farbe hebt sie sich von dem dunklen Hintergrund ab. Mit großer Sorgfalt und Intensität blickt er auf diese Blume, berührt sie, pflegt sie. Es ist fast so, als bestehe zwischen den beiden eine Beziehung; denn die goldgelbe Farbe entdeckt man wieder im Gesicht des alten Mannes. Man sieht nicht genau, was er tun will. Vielleicht sie berühren, Ungeziefer entfernen. Vielleicht erfreut er sich nur an ihrer Schönheit.

Bemerkenswert ist: Der alte Gärtner mit intensivem Blick in der Ruhe seines Gesichtes kümmert sich um diese eine Pflanze. Ich habe dieses Bild auf dem Hintergrund meines christlichen Glaubens gelesen: Gott hat einen sehr intensiven und wachsamen Blick für jedes einzelne seiner Geschöpfe, auch für mich. Mit großer Sensibilität wendet er sich auch mir zu, ist besorgt darum, dass mir nichts begegnet, was Leben und Wachstum zerstört. In diesem Bild von Emil Nolde sehe ich die Liebe Gottes, von der uns Jesus Christus in seinem Leben und Leiden, in seinem Wort und in seinem Sterben gesprochen hat. Diese Liebe, die sich um den Einzelnen müht, sorgt, ihm nachgeht, ist meine lebenserhaltende und lebensstärkende Kraft. Von ihr den Menschen zu künden sehe ich als meinen priesterlichen und bischöflichen Auftrag. Aus dieser Zuversicht zu schöpfen, gibt mir Kraft ein Leben lang.