Vor Kurzem stand bei meinem Mitbewohner eine Abschlussprüfung an. Die Prüfung zählt viel, entsprechend groß war seine Nervosität. Dagegen kamen selbst Phasen konsequenten Lernens nicht an.

Häufig zeigte sich das in folgendem Prozedere: Einige Stunden am Stück klang kein Geräusch außer dem regelmäßigen, gewissenhaften Blätterwenden aus seinem Zimmer. Trotzdem war er bei der gemeinsamen, von der rücksichtsvollen Mitbewohnerin zubereiteten Mahlzeit komplett aufgelöst und pessimistisch hinsichtlich seines Lernerfolgs. In der Masse der Fakten und Theorien schien die Struktur seines Themas immer schwerer erkennbar.

Es musste Ordnung ins Kopf-Chaos gebracht werden. Ein Resultat der Bemühungen meines Mitbewohners, sein Wissen in ein System zu bringen, ist eine neue, extrem populäre Kategorie. In unserer WG hat sie sich schnell als beliebtes Zwischenfazit in wirren Zeiten und an weinseeligen Abenden etabliert - auch für das Leben über das Studium hinaus: "die Erkenntnis des Tages". Bedeutungsschwanger oder banal, mit Halleffekt und Vibrato in der Stimme verkündet oder leise eingestreut.

Dieser Methode kann man zu Recht vorwerfen, dass sie viel ausklammert und sehr stark vereinfacht. Vor allem vereinfacht sie es dem wirren, überlasteten Geist, zur Ruhe zu kommen. Einschlafen wird wieder möglich. Und am nächsten Morgen ist die Energie für einen ganz neuen Erkenntnisprozess da.

Dagmar Willems studiert Angewandte Kulturwissenschaften an der Uni Lüneburg.

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