Ich habe gerade meine Kabel sortiert. Sie wissen schon: Jeder Mann hat eine Schublade mit Kabeln. Ein Naturgesetz, wie ich bereits in meiner ersten WG beim Philosophieren mit zwei Mitbewohnern festgestellt habe.

Kabel sind wichtig und gehören in jeden gut sortierten Haushalt. Das Problem: Die Kabel selbst sind stets schlecht sortiert. Auch ein Naturgesetz. Wer also mal eben das Notebook an die Stereoanlage anschließen möchte, öffnet besagte Schublade - und findet sich wenige Minuten später in der Elektro-Fachabteilung eines großen Kaufhauses wieder.

Nicht, dass das erforderliche Kabel in der Sammlung fehlen würde. Es scheint nur leider schier unmöglich, es aus seiner misslichen Lage zu befreien: Gefangen in einem schaurigen Kabelwirrwarr, umschlungen von Dutzenden Telefon-, TV- und Audiokabeln, die das Objekt der Begierde erst nach stundenlanger filigraner Feinarbeit freizugeben bereit wären.

Von Zeit zu Zeit, aber wirklich nur selten, bekomme ich dann doch Lust, dem Kabelsalat den Garaus zu machen. Dass ich mich damit pragmatisch auf dem Holzweg befinde, gehört zu meinem Kabel-Allgemeinwissen. Der Kabelsalat ist ein Gegner, den du nicht besiegen kannst. Selbst wenn du denkst, ihn vertrieben zu haben - er kommt immer zurück. Aber Kabelsortieren hat auch etwas Meditatives. Schon nach wenigen Stunden nehme ich meine Umgebung nur noch schemenhaft wahr und befinde mich in einer Welt, in der es schwarze Schnüre regnet und rot-weiße Stecker wachsen. Wichtig ist das Nackenkissen, damit mein Kopf nicht gegen die Wand kippt. Eine willkommene Abwechslung zur Diplomarbeit.

Oliver Wasse studiert Wirtschaftswissenschaften an der Uni Lüneburg.

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