“Mit dem Bus? Bei dieser Wärme?“ Ich zeigte meiner Mitbewohnerin den Vogel. In Lüneburg lohne sich Bus fahren nicht, erklärte ich ihr großspurig, die seien immer furchtbar voll und man brauche von der Stadt zur Uni mindestens drei Minuten länger als mit dem Rad. “Blödsinn!“ polterte sie. Die Wette galt.

Wir quetschten uns gleichzeitig durch die Haustür in unsere Wettkampfarena und rannten los. Sie zur Bushaltestelle, ich zum Fahrradständer. Schon fuhr ich breit grinsend an ihr vorbei und hatte nach kürzester Zeit einen Vorsprung wie Usain Bolt. Nur ächzte ich wahrscheinlich etwas lauter. Was mich wunderte, denn eigentlich fühlte ich mich noch ganz fit. Ungläubig horchte ich in mich - und löste das Rätsel: Es war nicht ich, der hier keuchte, sondern mein Fahrrad! Die Kette knirschte und ratterte, als hätte sie seit 20 Jahren im Getriebe eines Kreuzfahrtschiffes gedient.

Pfui Buh, das Rostgespenst, hatte mich heimgesucht und wollte mir die vier Kilometer zur Uni zur Hölle machen. Ausgerechnet heute! Ich strampelte mich ab und meine Kette lachte mich aus. Sie lachte mich so laut aus, dass vor mir gehende Passanten erschrocken zur Seite sprangen und mir bitterböse Blicke zuwarfen.

Da die Uni auf einem Berg gebaut ist, wurde es immer schlimmer, je näher ich meinem Ziel kam. Es geschah, was geschehen musste: "Peng!" Die Kette war durch. Ich stieg ab und eilte zu Fuß weiter. Von weitem sah ich meine Mitbewohnerin aus dem Bus steigen und erstarrte. Sie winkte mir triumphierend zu. Ich wedelte mit meiner Kette, doch da war sie schon im Gewusel der drei anderen ausgestiegenen Studenten verschwunden.

Oliver Wasse studiert Wirtschaftswissenschaften an der Uni Lüneburg.

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