Als Erstsemester in einer Stadt wie Lüneburg fühlt man sich wie Charlie in der Schokoladenfabrik. Alles ist neu und spannend.

"Willst Du zum Mathe-Vorkurs?" fragt die in Leuphana-bordeaux gekleidete Tutorin das verschreckte junge Mädchen, das durch den Hörsaalgang irrt. Es nickt schüchtern und wird zum Hörsaal 1 geleitet. Ich gehe mit meinem Apfel weiter in Richtung Bibliothek und denke: Meine Güte, war ich auch mal so klein?

Ja, das war ich wohl. Vor geschlagenen sechs Jahren habe auch ich den Mathe-Vorkurs besucht - natürlich nicht, weil ich kein Mathe konnte, sondern um Leute kennenzulernen. Das hat auch ganz gut geklappt. Am Anfang liefen wir alle schüchtern und verschreckt durch den Hörsaalgang. Doch die Unsicherheit legte sich, sobald wir gemerkt haben: Wir sitzen alle in einem Boot. Und, mit Verlaub: Es ist geil, ein Ersti zu sein!

Als Erstsemester in einer Stadt wie Lüneburg fühlt man sich wie Charlie in der Schokoladenfabrik. Alles ist neu und spannend: die erste eigene Wohnung, die plötzliche Selbstverantwortung, die Partys und die Vorlesungen, die in Wahrheit nur dazu dienen, über Profs und Kommilitonen zu lästern, wieder neue Kontakte zu knüpfen und die nächste Party zu planen. Es entwickeln sich neue Freundschaften, vielleicht sogar eine neue Liebe.

Büffeln hatte in meinem ersten Semester wenig Platz. Da musste schon mal die Nacht vor der Klausur herhalten, damit es kein Fiasko gab. Dass die Bachelor-Studierenden von heute mehr zu tun haben, ist hinlänglich bekannt. Und merkwürdigerweise zahlen sie pro Semester auch noch 500 Euro dafür. Wodurch sie wiederum mehr tun müssen, weil niemand mehr freiwillig ein oder zwei Semester länger studiert als nötig. Hoffentlich können sie ihr Dasein als Erstis trotzdem so genießen, wie ich einst.

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