Psychiatrie: Verhaltenstherapie kann dabei helfen, besser mit Ängsten umzugehen.

Die Knie werden weich, das Herz rast, die Enge im Fahrstuhl wird unerträglich, oder der Tag ist gefüllt mit Sorgen, was alles schief gehen könnte - all diese Gefühle lassen sich mit einem Wort beschreiben: Angst. Eine Angst, die ihre Funktion als lebenswichtiges Warnsignal verloren hat und zur Krankheit geworden ist, die sich zur Phobie, Panikattacke oder ständiger Sorge um alltägliche Dinge entwickelt hat.

14 bis 16 Prozent der Bevölkerung leiden mindestens einmal in ihrem Leben an einer behandlungsbedürftigen Angststörung. "Eine Form ist die Panikstörung, bei der die Panikattacke den Betroffenen wie aus heiterem Himmel regelrecht überflutet, oft verbunden mit körperlichen Beschwerden wie Herzrasen, Schwitzen und Atmungsproblemen", erklärt Prof. Iver Hand, Leiter der Verhaltenstherapie-Ambulanz am Universitätsklinikum Eppendorf.

"Solche Attacken treten mitunter täglich, aber auch nur einmal in drei Wochen (mit täglicher Erwartungsangst vor einer neuen Attacke) auf, und dauern zwischen 20 Sekunden und 20 Minuten", so der Psychiater. Die Betroffenen entwickeln oft Herztodesangst und fühlen sich hilflos ausgeliefert.

Wenn Patienten mit Panikattacken zu Hand in die Ambulanz kommen, werden zunächst in einem Gespräch die Lebensgeschichte des Patienten und seine aktuellen Probleme beleuchtet. "Oft stellt sich heraus, dass die Patienten mit ihrem derzeitigen Lebensstil überfordert sind. Typisches Beispiel ist ein Familienvater, der beruflich stark angespannt ist und gerade ein Haus gebaut hat. Die Betroffenen wollen stark sein und erkennen die Überforderung nicht."

Diese anzuerkennen ist der erste Schritt in der Behandlung, die in der Regel aus einer Psychotherapie besteht. "Medikamente werden nur in Extremfällen oder bei zusätzlichen Störungen wie starker Depression eingesetzt", erklärt Hand. Ist der erste Schritt gelungen, suchen Therapeut und Patient zusammen nach Möglichkeiten der Entlastung. Der Patient lernt, wie er besser mit Stress umgehen kann, Aufgaben in der Familie anders verteilt werden können oder der berufliche Alltag spannungsfreier gestaltet werden kann. "Dabei machen wir dem Patienten immer wieder klar, dass sein Körper ihm mit den Panikattacken bereits die gelbe Karte gezeigt hat. Wenn diese nicht zur Verhaltensänderung führt, dann gibts die rote. Das bedeutet, dass eine ernstere psychische oder körperliche Erkrankung auftreten kann", so Hand.

Außerdem lernen die Patienten in der Verhaltenstherapie, ihre Panikattacken aktiv zu bewältigen. "Manchen Patienten ist schon mit einer Gruppentherapie geholfen, die vier bis sechs Sitzungen von jeweils zwei bis drei Stunden umfasst. Andere brauchen eine Einzeltherapie, die in der Regel 15 bis 25 Sitzungen dauert. Liegen gleichzeitig weitere psychische Störungen vor, kann eine Therapie auch deutlich länger dauern."

Während Panikattacken bei der Panikstörung nur punktuell auftreten, grübeln Patienten mit generalisierter Angst ständig darüber, was im Tagesverlauf alles schief gehen könnte. Sie erleben keine massiven Angstattacken, sondern ständige ängstliche Anspannung. "Was die Behandlung dieser Patienten erschwert, ist, dass sie selbst diese Sorgen nicht als krank empfinden, sondern meinen, die anderen, die sorglos in den Tag hineinleben, sind die Kranken", erklärt Hand und ergänzt: "Oft kommen diese Patienten erst auf Drängen von Familienangehörigen zum Arzt, oder wenn sie unter Gelenkbeschwerden und muskulären Verspannungen als Folgen der ständigen ängstlichen Anspannung leiden."

In der Therapie geht es darum, den Patienten davon abzubringen, dass er in allen Alltagsbereichen nach 100-prozentiger Sicherheit strebt. "Stattdessen soll er lernen, bestimmte Risiken des Lebens in Kauf zu nehmen, ohne weiter über sie nachzudenken, und sich im Alltagsleben wieder mehr mit Dingen zu beschäftigen, die ihm Spaß machen", erklärt Hand. Als Ursache sieht er, dass diese Patienten in der Kindheit nicht gelernt haben, gegen Angst machende Situationen Abwehrstrategien zu entwickeln. "Zudem kann sich ein Kind bei einem sehr ängstlichen Elternteil die Angst abgucken."

Anders ist es bei den Phobien, die, bei entsprechender Veranlagung, als Folge von Schockerlebnissen, anhaltender Überforderung oder auch ohne erkennbare Ursache auftreten können. "Phobien haben einen klaren Auslöser, der Angst macht und den die Betroffenen zu vermeiden suchen. Das reicht von der Mäusephobie bis zur Platzangst und zur sozialen Phobie, oft kommen zu einer Phobie noch weitere hinzu. Diese Patienten glauben, so lange sie der Angst machenden Situation aus dem Weg gehen, geht es ihnen gut. Das funktioniert aber nur so lange, bis es so viele zu vermeidende Situationen gibt, dass im Privat- und Berufsleben Probleme auftreten", erklärt Hand.

"Die Phobie behandeln wir mit der so genannten Konfrontationstherapie. Dabei suchen Patienten, bei Bedarf unter Anleitung des Therapeuten, die Situationen, die ihnen Angst machen, immer wieder auf. So stellen sie fest, dass in Wirklichkeit nichts Furchtbares geschieht und lernen - ähnlich wie bei Panikattacken - Bewältigungsmechanismen für den Umgang mit Angst und Panikgefühlen", so Hand und betont: "Welche Angst auch immer: Ganz wichtig ist es, dass der Patient die Angst vor der Angst verliert - ein Teufelskreis wird durchbrochen."

Die Erfolgsquoten der Therapie liegen bei Angsterkrankungen zwischen 60 und 90 Prozent, Kosten werden von den Kassen übernommen, die aber unbedingt vor Behandlungsbeginn einen Antrag erhalten und zugestimmt haben müssen.

Abschließend betont Hand: "Angstpatienten sind im sonstigen Alltagsleben keine "Angsthasen, sondern oft besonders mutig."