Psychiatrie: Bei einer Schizophrenie kommt es zu Veränderungen von Wahrnehmung, Denken und Verhalten. Neue Medikamente können den Patienten helfen - ohne schwere Nebenwirkungen

Flüsternde Stimmen aus dem Nichts. Sie drohen, schimpfen, befehlen und kommentieren - für andere Menschen nicht hörbar, erscheinen die Stimmen für Menschen mit einer Schizophrenie real. "Akustische Halluzinationen sind die häufigsten Symptome der Schizophrenie", so Prof. Dieter Naber, Chefarzt der Psychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), "insgesamt aber, ist das Erscheinungsbild dieser tiefgreifenden seelischen Erkrankung äußerst vielfältig." Die Schizophrenie greift am Kern der Persönlichkeit an. Veränderungen der Gedanken, der Wahrnehmung und des Verhaltens sind die Folge. Die Betroffenen fühlen sich oft verfolgt und bedroht, sind wegen dieser Wahnvorstellungen aber nur selten gefährlich. Der Erkrankte zieht sich meistens zurück und nimmt nicht mehr am sozialen Leben teil. Seine Stimmung ist niedergeschlagen und mutlos, Gefühle werden nur noch gedämpft wahrgenommen. "Die Schizophrenie ist keine seltene Erkrankung," so Naber, "jeder Hundertste in der Bevölkerung ist betroffen."

Auch ihren Körper nehmen viele Schizophrene in einer besonderen Weise war. Bei so genannten Leibeshalluzinationen empfinden die Erkrankten ihren Körper beispielsweise elektrisiert, magnetisch, durch Bestrahlung beeinflusst oder sie fühlen ein Zerren, Brennen, Schneiden oder Anfressen innerer Organe.

"Die genauen Ursachen der schon vor Jahrtausenden beschriebenen Schizophrenie sind bis heute unklar", so Prof. Naber. Sicher ist die Bedeutung der Gene: Wenn Vater oder Mutter erkrankt sind, steigt das Risiko beim Kind auf zehn Prozent. Auslöser einer solchen akuten Psychose sind oft Lebenskrisen wie das Scheitern einer Liebesbeziehung, der Schulabschluss oder der Studienbeginn. Menschen mit besonderer seelischer Verletzlichkeit können diesen Stress nicht mehr bewältigen - die Schizophrenie bricht aus.

"Der Verlauf einer Schizophrenie ist nicht vorhersagbar", so Prof. Naber aus seiner langjährigen Erfahrung. "Ein Drittel der Patienten erlebt eine einmalige Krankheitsphase, die vollständig ausheilt. Bei einem weiteren Drittel bleiben geringfügige Restsymptome zurück, die aber ein weitgehend normales Leben ermöglichen. Lediglich bei 30 Prozent führt die Schizophrenie zu einer Einschränkung der Selbstständigkeit und bedarf der dauerhaften Behandlung."

Die Therapie hat in den vergangenen 40 Jahren große Fortschritte gemacht. "So genannte Neuroleptika ermöglichen den Patienten ein weitgehend beschwerdefreies Leben. In der Universitätsklinik behandeln wir die Patienten vor allem mit neueren Medikamenten, den atypischen Neuroleptika. Sie haben deutlich geringere Nebenwirkungen als die klassischen Neuroleptika". Auf Grund der unterschiedlichen Erscheinungsbilder der Schizophrenie wird unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Kranken, seiner Lebenssituation und der körperlichen Gesundheit eine individuelle Behandlung zusammengestellt. Langzeituntersuchungen haben gezeigt, dass eine Kombinationsbehandlung aus Neuroleptika und einer begleitenden Psychotherapie am wirkungsvollsten ist. Durch Psychotherapie wird das Selbstwertgefühl gesteigert, Eigeninitiative gestärkt, Konzentrationsfähigkeit trainiert und die Aufnahme einer Berufstätigkeit ermöglicht. Durch Einbeziehung der Angehörigen wird nach Möglichkeiten gesucht, wie der Kranke in der familiären Umgebung am besten betreut werden kann. "Ein wichtiger Aspekt in der Behandlung der Schizophrenie stellt die Vorbeugung erneuter Episoden der Erkrankung dar," erklärt Naber. "Durch Beschaffung einer Arbeitsstelle, regelmäßiger Medikamenteneinnahme und Stabilisierung der sozialen Bedingungen, wie beispielsweise eine feste Partnerschaft, wird dem Auftreten eines erneuten Schubes entgegengewirkt."