Der Kleine Michel in Hamburgs Neustadt feiert seinen 400. Geburtstag - und der große Michel vis-à-vis feiert mit. Schließlich ist die Geschichte beider Kirchen aufs engste miteinander verknüpft. Wie aus einer Friedhofskapelle eine moderne Kirche wurde.

Sie ist etwas ganz Besonderes, diese kleine Backsteinkirche mitten in der Neustadt. Katholiken aus der ganzen Stadt kommen hierher, um sonntags ihren Gottesdienst zu feiern. 3800 Menschen aus 70 Nationen fühlen sich im Kleinen Michel zu Hause. Wo gibt es auch sonst Gesänge nur in Latein, Lesungen in unterschiedlichen Sprachen oder einen Togochor, der mit Trommeln, Klatschen und Tanz die Gemeinde in Bewegung bringt? "Wir sind eine multikulturelle Gemeinde mitten im Zentrum Hamburgs, das zieht die Leute an", sagt Pastor Wilm Sanders. Und nun will diese Gemeinde vom 25. September bis 2. Oktober ganz groß ein Jubiläum feieren: 400 Jahre Kleiner Michel.

Auftakt ist die Eröffnungsmesse am 25. September mit dem Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Erwin Ender, der ebenso wie Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und dem französichen Botschafter Claude Martin die Schirmherrschaft über die Festwoche übernommen hat. "Daß der Vatikanbotschafter zu uns persönlich kommt und die Messe hält, ist ein absoluter Höhepunkt", sagt Monsignore Sanders sichtbar geehrt. Aber schließlich ist der Kleine Michel auch die erste katholische Kirche Hamburgs, nachdem sie zuvor 200 Jahre lang als evanglische Kirche gedient hatte. "Sie ist ein Zeichen gelebter Ökumene", sagt Sanders, dem es deswegen auch wichtig war, daß wenigstens eine Veranstaltung im großen Michel stattfindet. Denn zwischen den beiden Gotteshäusern gibt es seit Jahrhunderten eine enge Verbundenheit.

Dabei ist der Kleine Michel gut 60 Jahre älter als der große. Ursprünglich wurde das Gotteshaus an der Michaelisstraße als kleine Friedhofskapelle von der Altstadtgemeinde St. Nikolai genutzt. Ab 1605 feierten Protestanten in der Neustadt in dem unscheinbaren Gotteshaus ihre ersten Gottesdienste - die Katholiken durften damals nicht offen ihre Gottesdienste abhalten. Angesichts der stetigen Bevölkerungszunahme errichtete die 1647 gegründete St. Michaelisgemeinde jedoch gleich neben dem Kleinen Michel den ersten großen Michel, der 1661 eingeweiht wurde. Die kleine Schwesterkirche verfiel und wurde erst nach dem Brand des großen Michels (1750) als Notkirche im Barockstil wieder aufgebaut.

Katholisch wurde der Kleine Michel jedoch erst 1807, als Napoleons Truppen Hamburg besetzten und die Barockkirche kurzerhand beschlagnahmten. Vier Jahre später wurde sie auf den Namen des ersten Hamburger Erzbischofs St. Ansgar geweiht - im Volksmund blieb es aber beim Kleinen Michel. "Für die katholischen Gottesdienste hatten die Franzosen Meßgewänder, Silberleuchter und Kelche aus dem Kölner Dom herangeschafft. Diese wertvollen Gegenstände benutzen wir noch", sagt Norbert Wieh, Gemeindereferent des Kleinen Michel.

Nach dem Abzug der Franzosen 1814 kauften der Senat und die Bürgerschaft zehn Jahre später den Kleinen Michel der evangelischen Michaelisgemeinde ab und überließen ihn für einen Bruchteil der Summe den 6000 katholischen Mitbürgern. Mit der Unterarmreliquie des Heiligen Ansgar, die der Bischof Melchers von Osnabrück der Gemeinde 1865 zum 1000. Todestag Ansgars schenkte, hatte die erste katholische Kirche Hamburgs zudem ein Kleinod in ihrer Kirche.

Nachdem die Kirche den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet überstandet hatte, wurde der Kleine Michel doch noch am 11. März 1945 von Sprengbomben der Alliierten komplett zerstört. "Dann haben Christen in Frankreich für den Aufbau unserer Kirche Geld gesammelt und mehr als die Hälfte der Baukosten übernommen", erzählt Norbert Wieh. So konnte der heutige Backsteinbau am 10. Juli 1955 eingeweiht werden.

"Als Zeichen der Völkerversöhnung und Dankbarkeit wurde der Name des französischen Schutzpatrons Bernhard von Clairvaux mit in den Gemeindenamen übernommen", sagt Wieh. Für die Hamburger wird es jedoch immer beim Kleinen Michel bleiben.