Die ökumenische Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit vergibt in Partnerschaft mit Banken Kleinkredite an Arme. Wie das funktioniert? Zwei Beispiele aus Bulgarien und Ecuador.

Es scheint wie ein Bild aus zwei Welten. Da stehen zwei Frauen und drei Männer stolz vor einer der modernsten Erntemaschinen, und an ihnen vorbei zuckelt einer der vielen Eselkarren, die man im Nordosten Bulgariens noch häufig antrifft. Bei Klaus Glismann hat sich dieses Bild während seines Besuches des Dorfes Ishirkovo ins Gedächtnis gebrannt, zeigt es doch, wo dieses 1000-Einwohner-Dorf einmal anfing und wo es jetzt nach sechs Jahren harter Arbeit steht.

"Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus glich das Dorf einem Armenhaus. Es gab keine Jobs, kein soziales Leben, einen uralten Maschinenpark, keine Vermarktungsmöglichkeit der Waren und eine wahnsinnige Landflucht. Jetzt ist es eine prosperierende Gemeinschaft", sagt das Vorstandsmitglied des Oikocredit-Förderkreises Norddeutschland. Oikocredit ist eine ökumenische Entwicklungsgenossenschaft, die den Armen in der Welt, die bei keiner Bank einen Kredit bekommen, Geld leiht.

"Den Notleidenden bleibt oft nur der Gang zu einheimischen Kredithaien, die ihnen Geld zu 30 Prozent Zinsen für einen Monat Laufzeit leihen. Das treibt die Armen noch mehr in die Verschuldung", erklärt Klaus Glismann, der vor seinem Studium als Monteur weltweit tätig war und den "das Elend, das ich gesehen habe" dazu bewegte, sich sinnvoll für eine Verbesserung der Armenverhältnisse einzusetzen.

So hat Oikocredit auch der landwirtschaftlichen Genossenschaft von Ishirkovo drei Kredite von insgesamt mehr als einer halben Million Euro gegeben. Denn ohne Eigenkapital konnten die Bauern keine Fördergelder der EU erhalten, und keine bulgarische Bank wollte die 1993 gegründete Genossenschaft finanzieren. "Die Leute lebten von der Hand in den Mund, manche mußten sogar ihr Vieh schlachten, weil keiner es ihnen abnahm. Sie waren absolut verzweifelt", sagt Glisman.

Von dem Oikocredit-Darlehen hat der Verband sich moderne Erntemaschinen gekauft, den Aufbau einer Aprikosen- und Pfirsichplantage finanziert und eine gute Vermarktungsstruktur aufgebaut. Inzwischen verkauft die bulgarische Genossenschaft ihre Südfrüchte und ihr Getreide bis nach Griechenland. Zwei der Darlehen konnten die Bauern schon wieder zurückzahlen.

"Da sowohl der Gemeindevorstand wie auch die Genossenschaft von Frauen angeführt wird, gibt es im Dorf jetzt wieder eine vernünftige Sozialstruktur. Frauen haben meiner Erfahrung nach daran mehr Interesse als Männer", sagt Glismann. So finanziert die Genossenschaft inzwischen eine Bibliothek und Vereine im Dorf. Für die Schule liefert sie das Essen. "Ein absolutes Musterprojekt", sagt Glismann, der den norddeutschen Oikocredit-Förderkreis 1979 mitgegründet hat. Als Delegierter schaut er sich von Oikocredit geförderte Projekte an.

So war Glismann auch vor zwei Jahren in Ecuador, einem der Schwerpunktländer von Oikocredit. Im Dorf Salinas, im Hochland der Anden, hat der Hamburger eine Indio-Familie besucht, die dort eine florierende Weberei betreibt. Jahrzehntelang hatte sich die Familie mit der Handweberei von Schals über Wasser gehalten, bis ein belgischer Unternehmer ihr zwei alte Webmaschinen schenkte. Damit produziert sie jetzt große Hängematten. Das Geld für das Webmaterial und die Grundausstattung, rund 1500 US-Dollar, hat die Familie sich über eine Mikrofinanzorganisation geliehen, die von Oikocredit unterstützt wird.

"Wir verleihen unser Geld nicht direkt an die Kleinunternehmer, das wäre zu aufwendig und kostenintensiv", erklärt Glismann. Statt dessen hätte Oikocredit Partnerschaften mit Banken oder Mikrofinanzorganisationen, die wiederum das Geld zum landesüblichen Zinssatz und mit langen Laufzeiten an Einzelpersonen, Familien und Gruppen verleihen. "Was mich bei dieser Weberfamilie berührt hat, war der sichtbare Unterschied zwischen der alten Hütte und dem neuen Haus, das sie sich gerade gebaut hatten. Wunderbar war die Zufriedenheit dieser wohlgenährten Familie - das ist in dieser Gegend absolut keine Selbstverständlichkeit", sagt Klaus Glismann.