Verhandlungen: Merkel lobt den “Durchbruch“, aber niemand scheint zufrieden. Die CDU bekam nicht, was sie will, und die SPD auch nicht: Die Koalition nennt das “Kompromiß“, und die Chefs bemühten sich um eine gute Haltung.

Berlin. "Der Krafteinsatz war enorm", stöhnte gestern am frühen Morgen einer der Teilnehmer an der großkoalitionären Nachtübung in Sachen Gesundheitsreform und mimte übernächtigt dennoch den Zufriedenen. An einer "ganz schwierigen Weggabelung" sei man gewesen, könne mit dem Resultat der Verhandlungen sicherlich "keinen Schönheitspreis" gewinnen. Aber mit dem Ergebnis sehen lassen, das könne man sich schon. "Vertretbar" sei es allemal.

Ein anderer Spitzenkoalitionär ärgerte sich nach eigenem Eingeständnis beim Heimweg im Morgengrauen, daß sein Terminplan ihm nun nicht mal mehr Zeit für eine Mütze Schlaf geben würde, sondern nur noch für einen Sprung unter die Dusche. Dann ging die Terminhatz weiter. Parteifreunde mußten informiert und auf die Kompromisse der Nacht eingeschworen werden. CSU-Chef Edmund Stoiber ließ sich gegen 8 Uhr in der Früh zum Flughafen chauffieren. Er mußte in München Überzeugungsarbeit leisten. Erst gegen 5 Uhr waren sich die Koalitionäre einig geworden und die Helden nun allesamt ziemlich müde.

Losgegangen war es um 19 Uhr am Sonntag abend im Kleinen Kabinettsaal im 6. Stock des Kanzleramtes. Etwas später als ursprünglich geplant. Denn die Unterhändler der Sozialdemokraten hatten unter sich noch ein wenig mehr parteiinternen Beratungsbedarf als die Spitzen von CDU und CSU. Da ein leerer Magen dem Verhandlungsklima nie förderlich ist, gab es Kartoffelsalat und Schnitzel, "sehr fettig", wie einer, der dabei war, hinterher maulte.

Gestern waren die Teilnehmer der gut zehnstündigen Marathon-Sitzung allesamt bemüht, das Ergebnis zu loben und als Erfolg vor allem der eigenen Partei zu preisen. Der CDU-Generalsekretär zählte allerlei auf, was die SPD nicht habe durchsetzen können. Bei den Sozialdemokraten frohlockte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, die Genossen hätten am Verhandlungstisch gewußt, "massive Leistungsausgrenzungen zu verhindern", wie sie angeblich die Union geplant habe. Das Verhandlungsergebnis bewertete Heil als "8:2 nach Verlängerung und Elfmeterschießen" - für die SPD natürlich.

Von Euphorie war bei den großkoalitionären Kontrahenten gleichwohl nichts zu spüren. Das lag nicht nur an der erkennbaren Müdigkeit der Beteiligten, sondern auch am Resultat. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte frühmorgens nur von einem "guten Schritt" gesprochen, ohne allerdings dabei wirklich eine freudige Miene aufzusetzen.

Am heftigsten hatte in der Nacht vor allem der Streit um die Finanzierung getobt. Die Union blockte knallhart die Forderung der Sozialdemokraten ab, das Gesundheitssystem stärker auf eine Steuerfinanzierung umzustellen, um im Gegenzug die Beiträge dann senken zu können. Mehrfach wurden deshalb die Verhandlungen unterbrochen, die Parteien tagten getrennt, rauften sich aber immer wieder zusammen. Ein Scheitern der Gespräche sei aber nie zu befürchten gewesen, hieß es hinterher einstimmig aus SPD und Union.