Reaktionen: Ärzte zufrieden, Apotheker und Opposition klagen

BERLIN. Die Gesundheitsreform hat gestern ein weitgefächertes Echo hervorgerufen. Sowohl die Krankenkassen und Sozialverbände als auch die Standesvertretungen und die Parteien äußerten sich zu den Beschlüssen.

Die Krankenkassen und Sozialverbände reagierten überwiegend enttäuscht. Die große Koalition habe es nicht geschafft, die für 2007 erwartete Finanzierungslücke bei den Kassen erfolgreich einzudämmen, teilten die Kaufmännische Krankenkasse KKH und die AOK Niedersachsen in Hannover mit. Für die angekündigte Erhöhung der Beitragssätze sei somit allein die Politik verantwortlich.

Ähnlich reagierte der Verband der Krankenversicherten. Präsident Heinz Windisch nannte es gestern "ganz erschreckend", daß die Beiträge erneut erhöht werden sollen. "Das ist den Versicherten nur ganz ganz schwer klarzumachen." Der Kompromiß sei mit heißer Nadel gestrickt und werde nur ein oder zwei Jahre halten, sagte er voraus.

Bei den Sozialverbänden stieß die Gesundheitsreform auf helle Empörung. Die Versicherten dürften nicht wieder die Dummen sein, verlangte VdK-Präsident Walter Hirrlinger. Die Lasten der Finanzierung müßten auf alle Schultern verteilt werden. "Die Patienten zahlen wieder drauf", beklagte sein SoVD-Kollege Adolf Bauer. "Das lehnen wir entschieden ab." Beide kritisierten die Streichung des Milliardenzuschusses für die Krankenkassen aus der Tabaksteuer. Die Beitragserhöhung wäre überflüssig, wenn dieser Zuschuß erhalten bliebe, erklärte Bauer.

Unterschiedlich reagierten die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Apotheker. Während die Ärztevertretung die Eckpunkte im Grundsatz begrüßte, gab es Ablehnung bei den Apothekern. "Wir begrüßen es, daß die Koalition ein neues Vergütungssystem für Ärzte einführen und die Budgets abschaffen will. Außerdem soll das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen übergehen. Das ist richtig und entspricht der Zielsetzung der KBV", hieß es von den Ärzten.

Die Apotheker kündigten Gegenwehr an. Ihnen drohe bei Preisverhandlungen ein "enteignungsgleicher Eingriff ins Privatvermögen", sagte der Vorsitzende des Verbands, Heinz-Günter Wolf. Dem Koalitionskompromiß zufolge sollen Apotheken und Kassen Preisverhandlungen bei Arzneimitteln führen. Das volle Risiko müßten die Apotheker tragen, so Wolf.

FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr nannte den geplanten Gesundheitsfonds eine große "Verschleierungsaktion", die Transparenz im System gerade verhindere. "Statt eines Einheitsfonds sollten Versicherte und Kassen individuell Verträge miteinander abschließen können", sagte Bahr dem Abendblatt. Vor allem die SPD stemme sich aber gegen mehr Wettbewerb und Kostensenkungen zum Vorteil der Versicherten und setze auf mehr staatliche Lenkung und "Kassensozialismus".

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte, dies sei kein "Durchbruch, sondern ein Beinbruch". Weder würden kostspielige Strukturen abgeschafft, noch die Privilegien derer eingeschränkt, die "am Gesundheitswesen verdienen". Bei der Konsolidierung der Ausgaben sei die Regierung "eher bescheiden" gewesen.