Kommentar: Streit um Richtlinienkompetenz

Der aufgeregte Streit um die Richtlinienkompetenz der künftigen Kanzlerin Merkel ist bizarr. Sollte die CDU-Frau als Regierungschef tatsächlich versuchen, ihre Koalitionspartner vor allem per Weisungsrecht zu dirigieren, wäre sie sehr schnell am Ende. Wer in der Demokratie das Sagen haben will, darf sich nicht auf formale Richtlinienkompetenzen versteifen, der braucht Mehrheiten, bei Wahlen, in der Koalition, im Kabinett und im Parlament. Das alles weiß Merkel.

Wenn die Spitzen von SPD und CSU sie nun aber demonstrativ auf Grenzen ihrer Macht hinweisen, die sie ohnehin kennt, offenbart das vor allem eines: Die Münteferings und Stoibers haben nach wie vor große Schwierigkeiten, sich mit dem Gedanken an eine Kanzlerin Merkel anzufreunden. Das Mißtrauen sitzt tief bei allen Beteiligten. Es gibt also jenseits aller sachlichen Differenzen auch persönliche Gräben, die noch überwunden werden müssen. Auch deshalb wird es dauern, bis genug Vertrauen aufgebaut ist, ohne das eine Koalition - ob groß oder klein - nicht auskommt und funktionieren kann.