HAMBURG. In den großen ausländischen Zeitungen wird die geplante große Koalition unter Führung von CDU-Chefin Angela Merkel skeptisch bis wohlwollend kommentiert. Auszüge:

"El Pais" (Madrid): "Nach dem Ausgang der Bundestagswahl war die Bildung einer großen Koalition das Vernünftigste."

"La Repubblica" (Rom): Was sie (Merkel) nun erreicht hat, erscheint eher wie ein Pyrrhussieg. Sie wird Kanzlerin, sicherlich, aber ihre Regierung ist mit sozialdemokratischen Ministern besetzt, die von Gerhard Schröder in Stellung gebracht wurden (...)."

"Kleine Zeitung" (Graz): "Eine große Koalition hat unendlich viele Möglichkeiten, unblockiert und deshalb zügig Reformen durchzuführen, auch Unpopuläres durchzusetzen und Weichen für die Zukunft zu stellen."

"Tribune de Genève" (Genf): "Sie (die große Koalition) wird instabil, zerbrechlich und ohne Zweifel nur von kurzer Lebensdauer sein."

"Neue Zürcher Zeitung" (Zürich): "Daß die Führungen von CDU/CSU und SPD nun trotz (. . .) den zur Schau gestellten Animositäten die Weichen für eine große Koalition gestellt haben, darf man als ermutigendes Zeugnis politischer Reife werten."

"Der Bund" (Bern): "Die erste Regierungschefin in der deutschen Geschichte tritt ein schwieriges Amt in schwieriger Zeit und an der Spitze der schwierigsten Koalition seit Bestehen der Bundesrepublik an. Angela Merkel steht unter einem schier unmenschlichen Druck. Es wäre aber nicht das erste Mal, daß Persönlichkeiten, denen wenig Kredit gegeben worden war - speziell Frauen - , Kräfte mobilisierten, die ihnen anfänglich keiner zugetraut hätte."

"Liberation" (Paris): "Auch wenn jetzt der Wunsch sehr stark ist, die Gegensätze zu versöhnen, gibt es doch keinen Zauberstab zur Auflösung der aufgeworfenen Widersprüche. Die große Koalition wird ein Kampf."

"De Telegraaf" (Den Haag): "In seiner Regierungszeit hat er (Schröder) mit Reformen nachgelassen. (. . .) Hoffentlich setzt die große Koalition seine Halbherzigkeit nicht fort."

"The Guardian" (London): "Das Beste, was sich sagen läßt, ist, daß es eine angenehme Überraschung wäre, wenn die Pessimisten sich (mit negativen Prognosen) irren würden."

"Politiken" (Kopenhagen): "Die großen Parteien haben einen Burgfrieden nach ihrem Schiffbruch bei den Wahlen geschlossen. Das ist nicht das Schlimmste, was Deutschland passieren konnte."

"Svenska Dagbladet" (Stockholm): "Nun wird die Reformarbeit im wichtigsten EU-Land von einer Frau gelenkt, die deutlich marktwirtschaftlich orientiert ist und persönlich erfahren hat, was Kommunismus bedeutet. Berlin sendet jetzt andere Signale. Schon das zählt."

"Kommersant" (Moskau): "Mit seinen Angriffen auf die CDU- Vorsitzende trug Schröder zu der bemerkenswerten Geschlossenheit der CDU/CSU bei. Er gab den Konservativen zu verstehen, daß sie mehr an die Führung im Land als an innerparteilichen Streit denken sollten."

"La Tribune" (Paris): "Angela Merkel ist der doppelte Coup gelungen. Sie zieht ins Bundeskanzleramt ein und schafft sich ihren alten Gegner Gerhard Schröder vom Hals. Auch wenn es drei Wochen gedauert hat, um in harten Verhandlungen dieses Ziel zu erreichen, so ist die erste Bundeskanzlerin in der deutschen Regierung ihre Sorgen damit aber längst nicht los. Denn was ihr jetzt gelungen ist, das war erst der einfachste Teil."