MÜNCHEN. CSU-Chef Edmund Stoiber hat jetzt einen Einblick gegeben, wie die Entscheidung über die Kanzlerfrage gelaufen ist. In den Gesprächen zwischen ihm, CDU-Chefin Angela Merkel, Kanzler Gerhard Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering ging es demnach zu wie auf einem orientalischen Basar : Sinngemäß habe die SPD-Seite so angefangen: "Wenn Sie Schröder als Kanzler akzeptieren, dann haben Sie drei Zugriffsrechte auf Ministerien." Das hätten Merkel und er abgelehnt. "Dann kam man zum umgekehrten Fall: Wir akzeptieren Merkel, wollen Zugriffsrecht auf zwei Ministerien".

Bei dem Zugriffsrecht ging es um Schlüsselressorts wie Außenamt, Finanzen und Wirtschaft. Ihm sei bereits während des ersten Spitzengesprächs am Donnerstag abend klar geworden, daß Schröder nicht an seinem Amt festhalten wolle. Dieser habe immer wieder ironische Bemerkungen gemacht und damit kokettiert, bestimmte Papiere nicht lesen zu müssen, weil er eh bald nicht mehr zuständig sei. Stoiber geriet fast ins Schwärmen, als er die Gesprächsatmosphäre zwischen Schröder, Merkel, Müntefering und ihm beschrieb. "Da hat man sich auch mal in den Kopf des anderen versetzt", und nichts sei vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangt. "Schröder will den Erfolg der großen Koalition", er sei "sehr kompetent", "sehr engagiert" und habe "einen außerordentlich konstruktiven Beitrag in allen Verhandlungen" geleistet, lobte Stoiber. Und zu Müntefering: "Es hat sich herausgestellt, daß man gut miteinander umgehen kann."