Koalitionspoker: Viele SPD-Politiker sind unzufrieden. Vor allem junge Genossen begehren bei Klausur auf. Jusos verlangen neue Köpfe im Kabinett.

Berlin. Die SPD will bei den anstehenden Verhandlungen mit der Union möglichst viele eigene politische Ziele durchsetzen. Dazu legten Partei- und Fraktionsspitze gestern bei einer Klausur ihre Marschroute fest. Doch zunächst müssen sich die Sozialdemokraten untereinander einig werden, denn es gibt weiterhin SPD-Parlamentarier, die damit drohen, einer CDU-Kanzlerin Angela Merkel die Stimme zu verweigern. Und die jüngeren Abgeordneten machen mobil, um beim Ämterkarrussell angemessen beteiligt zu werden.

SPD-Chef Franz Müntefering versicherte in einem Rundbrief an alle Mandatsträger seiner Partei: "Wir sind entschlossen, so viele sozialdemokratische Inhalte wie möglich einzubringen." Die SPD werde um alle Punkte kämpfen, "nicht nur in den SPD-geführten Ministerien".

Ärger gibt es inhaltlich vor allem in den Bereichen Familie, Bildung, Forschung und Innovation. Die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese ist Vorsitzende des Bundestags-Familienausschusses und sagte, die Union habe bei diesen Zukunftsthemen "bisher keine Kompetenz gezeigt". Deshalb müsse die SPD diese Zukunftsfelder maßgeblich prägen. "Davon mache ich meine Zustimmung abhängig."

Auch der konservative "Seeheimer-Kreis" der Sozialdemokraten zeigte sich weiterhin unzufrieden. Zwar seien die "Seeheimer" bereit, in einer großen Koalition Chancen zu sehen, sagte ihr Sprecher, der Hamburger Abgeordnete Johannes Kahrs. Doch wichtig sei, auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln. Einen Forderungskatalog wollen die "Seeheimer" nicht aufstellen. Sie legten aber Wert darauf, "daß die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht kommt". Und auch bei der Postenvergabe wollen die "Seeheimer" natürlich nicht zu kurz kommen.

Vor allem aber rücken die jüngeren Abgeordneten nach. "Der Druck zur personellen Erneuerung innerhalb der SPD ist extrem hoch und muß auch befriedigt werden", sagte Juso-Chef Björn Böhning gestern. Es gehe ihm nicht um ein "Kinder-Kabinett", sondern um eine ausgewogene Mischung aus Erfahrung und neuen Köpfen. Wenn im Kabinett alles beim Alten bleibe, wäre etwas falsch gelaufen, assistierte Niedersachsens SPD-Landeschef Wolfgang Jüttner.

Die "Netzwerker", ein Zusammenschluß jüngerer Abgeordneter, formulierten in einer "Protestnote" an Müntefering Bedingungen für eine Zustimmung zu den Vereinbarungen mit der Union. Bei den Unterschriften fehlt allerdings die von Sigmar Gabriel, der sich Chancen auf einen Kabinettsposten ausrechnet. Sein Beitrag im SPD-Vorstand wurde jedenfalls von den Teilnehmern als Bewerbungsrede für ein Ministeramt empfunden.

Leicht irritiert reagierte Langzeit-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul gestern auf die Frage, ob nun vielleicht nicht doch der Zeitpunkt für einen Generationenwechsel in der SPD gekommen sei. "Dafür haben uns die Wähler nicht gewählt, sondern um für die Arbeitnehmerrechte zu kämpfen", blockte sie ab.