Kommentar

Wenn bis dato über gesetzliche Mindestlöhne diskutiert wurde, waren die Frontverläufe recht klar. Befürworter fanden sich in der SPD und Gewerkschaften. Die Arbeitgeber waren in der Regel strikt dagegen und wußten die Union an ihrer Seite. Jetzt weichen die Fronten auf. CSU-Chef Stoiber will sich plötzlich über gesetzliche Mindestlöhne Gedanken machen, der CDU-Arbeitsmarktexperte Laumann ebenso.

Die Kehrtwende führender Unionspolitiker kommt aber keineswegs aus heiterem Himmel, sondern hat einen nachvollziehbaren Grund: Im Zuge der EU-Osterweiterung drängen mehr und mehr Billigkräfte auf den deutschen Arbeitsmarkt. Lohndumping, Sozialdumping und soziale Verwerfungen könnten die Folge sein, wenn die Politik diese Entwicklung einfach tatenlos treiben ließe.

Vor allem niedrig qualifizierte und schwer qualifizierbare Arbeitnehmer könnten im Kampf um Jobs in einen Verdrängungswettbewerb geraten, dem sie nicht gewachsen sind. Doch es ist nicht akzeptabel, solche Menschen in die Alternative schlittern zu lassen, entweder Hungerlöhne zu akzeptieren oder arbeitslos zu werden und zu bleiben.

Ob die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne das richtige Instrument gegen Lohndumping wäre, darf aus mancherlei Gründen bezweifelt werden. Zu hoch angesetzte Mindestlöhne könnten zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland führen oder den Marsch in die Schwarzarbeit fördern. Würde der Lohn zu niedrig angesetzt, wäre kein Anreiz zur Arbeitsaufnahme gegeben. Ein Patentrezept gegen Lohndumping gibt es nicht. Doch nach Gegenmitteln muß dringend gesucht werden. Sonst könnte sich die Gesellschaft weiter spalten und die Zahl der Armen wachsen. Wenn einige Unionspolitiker deshalb neu nachdenken wollen, ist das zu begrüßen. Denn so könnte eine notwendige Debatte endlich neue Dynamik gewinnen.