WASHINGTON. Auf einem fünfseitigen Hilfs- und Einsatzplan legt das nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 gegründete US-Ministerium für Heimatsicherheit detailliert dar, wie man im Katastrophengebiet im Süden der USA zu operieren hat. Von 57 medizinischen Hilfsmannschaften, 20 Millionen Fertiggerichten, 13,4 Millionen Litern Wasser und 10 000 Zelten ist die Rede. Weiter heißt es: "Es stehen 2600 Klinikbetten in der unmittelbaren Umgebung zur Verfügung, falls nötig, kann die Zahl auf 40 000 erhöht werden."

Die Realität sieht anders aus. Das Fernsehen überträgt nonstop Bilder von Menschen, die im Müll nach Eßbarem suchen, nichts zu trinken haben und die in Krankenhäusern sterben, weil sie nicht in Sicherheit gebracht werden können. Während im Katastrophengebiet, das mit einer Fläche von rund 235 000 Quadratkilometern fast so groß ist wie die frühere Bundesrepublik, weiterhin Zehntausende ums Überleben kämpfen, wird die Frage in Washingon immer lauter, wer schuld ist an der nach Meinung von Experten und Betroffenen völlig ungenügenden Hilfe.

Die Hauptverantwortung liegt bei Michael Chertoff, dem neuen Minister für Heimatsicherheit, der insgesamt 22 Ministerien, Behörden und Regierungshilfsdienste unter sich hat. Chertoff gibt zu bedenken, daß zum ersten Mal der größtmögliche Katastrophenplan, der sogenannte "Incident of National Significance" (Fall von nationaler Bedeutung), in Kraft gesetzt worden sei. "Da gibt es natürlich noch ab und zu Probleme", so der Minister.

In der Vergangenheit hatte immer die Nationale Katastrophenschutzbehörde FEMA, die heute Chertoff unterstellt ist, das Kommando in Fällen wie "Katrina". Daß seine Behörde auch jetzt im Kreuzfeuer der Kritk steht, will deren Chef Michael Brown nicht gelten lassen. Er ließ alle Kritiker und Betroffenen wissen: "Die Nation sollte einmal tief durchatmen und sich im klaren darüber sein, daß die Regierung alle zur Verfügung stehende Hilfe bringt, in einem Maß, wie wir es nicht einmal bei der Tsunami-Katastrophe gesehen haben."

Doch weder New Orleans' Bürgermeister Ray Nagin, der via TV-Sender CNN einen "verzweifelten SOS-Ruf nach Washington schickte, noch Louisianas Gouverneurin Kathleen Babineaux Blanco, die von Präsident Bush "sofort mindestens 40 000 Soldaten" forderte, sind überzeugt, daß alles nach Plan funktioniert. Terry Ebbert, der Chef für Heimatsicherheit in New Orleans, glaubt nicht einmal, daß es überhaupt einen Plan gibt. Ebbert: "Das ist eine nationale Schande. Wir können Tsunami-Opfern massiv helfen, sind aber nicht in der Lage, die Stadt New Orleans zu retten."

Inzwischen gerät eine weitere Ursache der schleppenden Hilfsmaßnahmen in den Blick - die geringe Zahl von Nationalgardisten, die zur Verfügung stehen. Wie jeder der 50 US-Staaten haben auch die von "Katrina" verwüsteten Staaten Louisiana, Alabama und Mississippi ihre eigene Nationalgarde, die für die Hilfe bei nationalen Katastrophen gedacht ist.

Mehr als ein Drittel der insgesamt 320 000 US-Nationalgardisten wurde jedoch von Bush in den Irak geschickt. Hilfskräfte, die jetzt fehlen. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat inzwischen verfügt, daß rund 8000 Nationalgardisten der vom Hurrikan betroffenen Staaten nächste Woche aus dem Irak dorthin zurückkehren können. Gouverneurin Blanco kann das nicht überzeugen. "Too little, too late (zu wenig, zu spät)", beklagte sie.