Luftangriffe und Artilleriefeuer haben die zehn Mitglieder von Lubna Karams Familie die ganze Nacht wachgehalten. Die Familie kauert sich im Flur...

Gaza. Luftangriffe und Artilleriefeuer haben die zehn Mitglieder von Lubna Karams Familie die ganze Nacht wachgehalten. Die Familie kauert sich im Flur ihres Hauses in Gaza zusammen und hofft, dass die Bomben ihr Haus verschonen werden. Seit einer Woche gibt es keinen Strom mehr, inzwischen ist auch kein Gas zum Kochen mehr da. Jetzt gibt es bei Karams kalte Bohnen aus der Dose. "Das ist Kriegsessen", sagt die 28-Jährige. "Was können wir schon anderes tun?"

Die Straßen in der Stadt Gaza mit ihren 400 000 Einwohnern waren gestern wie leer gefegt. Viele Gebäude liegen in Trümmern. Die meisten Menschen blieben aus Furcht vor einem weiteren Vorrücken der israelischen Armee in ihren Häusern.

Für viele der Verletzten bleibt angesichts der Lage in den Krankenhäusern, wie sie von Betroffenen geschildert wird, kaum Hoffnung. Auf der Mikroblog-Website Twitter schildert Scherine Tadros die verzweifelte Lage im Schifa-Krankenhaus, dem größten Hospital im Gazastreifen. Ärzte hätten keine Medikamente mehr, es herrsche Chaos. Patienten würden auf dem Boden behandelt.

Ähnlich Dramatisches schildert die palästinensische Helferin Fikr Shalltoot über Telefon: In ganz Gaza gebe es in den Krankenhäusern nur 2500 Betten. Sie seien hoffnungslos überfüllt, und wegen des Stromausfalls müssten die Kliniken nun mit Generatoren arbeiten. In der Zivilbevölkerung kamen nach Angaben von Ärzten mindestens 31 Palästinenser ums Leben. Damit stieg die Zahl aller Toten seit Beginn der Offensive am 27. Dezember auf mehr als 500, darunter 100 Zivilpersonen.

Mit Einbruch der Dunkelheit waren die israelischen Bodentruppen am Sonnabendabend an drei Stellen über die Grenze vorgedrungen. Grenznahe Ziele im Gazastreifen wurden von schwerer Artillerie unter Beschuss genommen. Gleichzeitig griffen Kampfflugzeuge und vom Mittelmeer aus die Marine an. Ein Schwerpunkt der Bodenoffensive war die Ortschaft Beit Lahija im nördlichen Gazastreifen. Acht Bewohner kamen nach Angaben von Ärzten bei einem Artillerieangriff ums Leben, als sie ihre Häuser verließen, um Zuflucht in einer Schule zu suchen. Am Sonnabend wurde eine Moschee der Ortschaft aus der Luft bombardiert; dabei starben nach palästinensischen Angaben 13 Menschen.

Die israelischen Truppen konzentrierten sich zunächst darauf, ländliche Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. Es kam zu heftigen Gefechten mit Hamas-Kämpfern, deren Stärke auf rund 20 000 Mann geschätzt wird. Sie beschossen die Truppen, die zum ersten Mal seit der Räumung aller Siedlungen vor mehr als drei Jahren wieder so tief in den Gazastreifen vorgedrungen sind, mit Panzerfäusten und Mörsergranaten. Israelische Hubschrauber wurden mit Maschinengewehrfeuer belegt. "Dies ist ein Krieg, ein echter Krieg", sagte einer der wenigen Einwohner der Stadt, die sich gestern noch auf die Straße trauten.