Versteckspiel mit Bio- und Chemiewaffen. Die neue Anklage der USA vor dem Sicherheitsrat gegen den Irak.

New York/London. In der wohl bedeutendsten Rede seiner Amtszeit hat US-Außenminister Colin Powell den Irak gestern massiver Verletzungen der UNO-Resolution 1441 beschuldigt und den Sicherheitsrat zu entschlossenem Handeln gegen das Regime in Bagdad aufgefordert. Anhand von Dias, Satellitenaufnahmen, Tonbandmitschnitten und Zeichnungen legte Powell Indizien dafür vor, dass Bagdad weiter nach Massenvernichtungswaffen strebt, überdies Verbindungen zu Terrororganisationen hat und die Waffenkontrolleure systematisch hinters Licht führt. Indirekt drohte Powell in seiner 75-minütigen Rede dem Irak mit einem Militärschlag, als er sagte, Bagdad habe sich selbst der Gefahr "ernsthafter Konsequenzen" ausgesetzt. Diese Drohformel ist in der Resolution 1441 enthalten. Seine Darlegungen wurden von einigen Mitgliedern des Rates, wie Großbritannien und Spanien, teilweise als "eindrucksvoll" bezeichnet, von anderen jedoch mit Skepsis aufgenommen. Bundeskanzler Gerhard Schröder bleibt nach Worten von Regierungssprecher Bela Anda auf jeden Fall bei seiner Ablehnung eines Irak-Kriegs. Auch Frankreich sagt weiter Nein, schließt aber eine Beteiligung an einem Waffengang nicht mehr völlig aus, falls Saddam die Welt weiter narre. In Brüssel forderte die EU den Irak dringend zur Abrüstung auf und warnte zum ersten Mal vor einem "Ablaufen der Zeit". Powell forderte in der von Bundesaußenminister Joschka Fischer geleiteten Sitzung die Außenminister und Botschafter der anderen 14 Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats auf, der Gefahr zu begegnen, die vom Irak "für alle von uns ausgeht". Das Regime unter Saddam Hussein habe UNO-Resolutionen "massiv verletzt". Bagdad verfolge immer noch eine "Strategie des Betrugs und der Täuschung". Der Sicherheitsrat müsse sich fragen, wie lange es dauern solle, bis er dem Irak klar sage: Jetzt reicht es. Powell warf dem Irak vor, chemische und biologische Waffen sowie Raketen zu verbergen. Zudem gebe es bisher keinerlei Beweise dafür, dass der Irak atomare oder andere Waffen vernichtet sowie Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen endgültig eingestellt habe. Der Irak verfüge über 100 bis 500 Tonnen Giftstoffe für den Einsatz in Chemiewaffen und könne sie wieder zur Kriegsführung nutzen, sagte Powell. Der US-Außenminister zeigte dazu Satellitenaufnahmen, aus denen hervorgehe, dass der Irak belastendes Material vor Ankunft der Inspekteure abtransportiert habe. Ferner präsentierte er Zeichnungen mobiler Biolabors. Der Irak könne innerhalb eines Monats mehr biologisches Waffenmaterial produzieren als noch vor dem Golfkrieg von 1991, sagte Powell weiter. Er warf Saddam Hussein vor, persönlich die Befragung von Wissenschaftlern durch UNO-Inspekteure mit Morddrohungen zu verhindern. Der britische Außenminister Jack Straw unterstützte die Forderungen Powells. Seine Amtskollegen aus Russland, China und Frankreich machten jedoch deutlich, dass sie für weitere Inspektionen im Irak sind. Ähnlich äußerte sich Fischer nach der Sitzung in seiner Eigenschaft als deutscher Außenminister. Powell sagte weiter, der Irak beherberge Terroristen. So halte sich der Al-Kaida-Verbindungsmann Abu Mussab al-Sarkawi dort auf. Al-Kaida-Verbündete könnten im Norden des Irak und in Bagdad frei operieren. Beweise für diese Anschuldigungen legte Powell jedoch nicht vor. "Der Irak ist ein Verbündeter von Osama bin Laden." US-Außenminister Colin Powell