Kommentar.

Ein besonders guter Tag war der gestrige nicht für Saddam Hussein. Nach dem druckvollen Vortrag des amerikanischen Außenministers vor dem UNO-Sicherheitsrat ist eine Tyrannendämmerung am Tigris ein gutes Stück näher gerückt. Zwar hat Colin Powell der Welt nicht den "rauchenden Colt" in der Hand Saddams zeigen können, also den eindeutigen Beweis für die Existenz verbotener Waffen. Stattdessen präsentierte der vom Lamm zum Löwen mutierte Powell ein Potpourri aus Hinweisen, Telefonmitschnitten und detailreichen Dias. Niemand außerhalb der US-Administration vermag die völlige Authentizität dieses Materials zu verifizieren. So wird die behauptete Achse Bagdad-Al Kaida mit fester Terror-Struktur selbst vom britischen Geheimdienst bezweifelt. Doch die Hinweise auf einen Bruch der UNO-Resolution 1441 durch das Saddam-Regime waren schon vor der Powell-Rede beunruhigend und sind es nun erst recht. Vor allem die US-Dokumentation des möglichen chemischen Arsenals mit mobilen Laboren, riesigen Mengen an verschwundenen Kampfmitteln und hastig leergeräumten Bunkern ist durchaus glaubwürdig und deckt sich mit Verdachtsmomenten der UNO-Kontrolleure. Auch wenn harte Beweise fehlen - Hausarreste und Morddrohungen des Regimes für potenziell aussagewillige irakische Wissenschaftler legen den Verdacht nahe, dass es in dem großen Wüstenland verborgene Komplexe gibt, in denen weiter an Anthrax, Pocken, Nervengasen, Atomwaffen und anderen Instrumentarien der Apokalypse geforscht wird. Saddam, getrieben von dem fast pathologischen Ehrgeiz, einst Führer eines schwer bewaffneten mesopotamisch-arabischen Großreiches zu werden, ein größerer Nebukadnezar, glaubt offenbar, mit Tricks über die Runden zu kommen. Doch nach den Massakern an Kurden und Schiiten, den Raubkriegen gegen den Iran und Kuwait, ist die Staatengemeinschaft verpflichtet, dem skrupellosen Despoten neue Massenvernichtungsmittel aus der Hand zu schlagen. Doch soll dies durch einen Krieg geschehen? Es wäre die blutigste und damit schlechteste Lösung, die ultima ultima ratio. Überdies ist die Beweislage für die meisten Mitglieder des Sicherheitsrates noch zu dünn. Doch handeln muss die UNO, sonst setzt sie sich dem Verdacht der politischen Lähmung aus. Das Modell Völkerbund, außer Stande, einen aggressiven Diktator zu stoppen, hat nicht gerade historische Vorbildfunktion. Lösungsoption? Die USA stellen den Waffeninspektoren umgehend ihre detaillierten Geheimdiensterkenntnisse zur Verfügung, und während die Inspektoren konsequent prüfen, verabschiedet der Sicherheitsrat eine zweite, ultimative Resolution, die keinerlei Interpretationsspielraum bezüglich der Folgen eines Verstoßes mehr zulässt. Dem Irak bliebe damit eine allerletzte Frist zu kooperieren und einen Krieg noch zu vermeiden. Ergäben sich jedoch eindeutige Beweise dafür, dass Saddam die Welt weiter betrügt, hätte Washington immerhin die Möglichkeit, auf Grund eines klaren UNO-Mandats zu handeln.