Abhörprotokolle, Satellitenfotos, Zeugenaussagen: Wie Colin Powell den Bruch der UNO-Resolution 1441 durch den Irak begründete.

New York. Bei der Vorlage seiner Indizien für irakische Verstöße gegen die UNO-Resolution 1441 sagte US-Außenminister Colin Powell: "Dies ist ein wichtiger Tag für uns alle. Was Sie sehen werden, ist eine Anhäufung von Fakten und Besorgnis erregenden Verhaltensmustern. Die Fakten des irakischen Verhaltens zeigen, dass Saddam Hussein und sein Regime keine Anstrengungen zur Entwaffnung unternommen haben, die von der internationalen Gemeinschaft verlangt worden sind. Der Irak hatte zu keinem Zeitpunkt die Absicht, dem Mandat des Sicherheitsrates zu entsprechen. Stattdessen war es der Plan, die Inspekteure mit nutzlosen Informationen über Iraks zulässige Waffen zu überfluten. Saddam und sein Regime tun alles Mögliche, um sicherzustellen, dass die Inspektoren absolut nichts finden. Alle meine heutigen Erklärungen sind durch Quellen, solide Quellen, gedeckt. Dies sind nicht Behauptungen. Wir geben Ihnen Fakten und Schlussfolgerungen auf der Basis solider geheimdienstlicher Erkenntnisse. Ich halte die Schlussfolgerung (dass sich der Irak schwer wiegender Verletzungen der UNO-Resolution schuldig gemacht hat; d. Red.) für unbestreitbar und unleugbar. Der Irak hat sich jetzt selbst der Gefahr ernster Konsequenzen ausgesetzt. Und dieses Gremium (der Sicherheitsrat; d. Red.) setzt sich selbst der Gefahr der Bedeutungslosigkeit aus, wenn es dem Irak erlaubt, sich seinem Willen weiter zu widersetzen, ohne wirksam und unverzüglich zu antworten. Unsere Sorge betrifft nicht nur verbotene Waffen. Es ist die Art und Weise, wie diese verbotenen Waffen in Verbindung mit Terroristen gebracht werden können. Irak und Terrorismus haben eine jahrzehntelange gemeinsame Vergangenheit. Aber was ich Ihnen heute vor Augen halten will, ist die Verbindung zwischen dem Irak und dem Terrornetz Al Kaida, eine Verbindung, die klassische Terrororganisationen und moderne Mordmethoden vereint. Die Vereinigten Staaten werden und können die Amerikaner nicht diesem Risiko (einem irakischen Einsatz von Massenvernichtungswaffen; d. Red.) aussetzen. Wir haben die Resolution 1441 nicht mit der Absicht verfasst, in den Krieg zu ziehen. Wir haben 1441 verfasst, um dem Irak eine letzte Chance zu geben. Bis jetzt hat der Irak diese letzte Chance nicht genutzt. Wir dürfen nicht vor dem zurückschrecken, was immer vor uns liegt. Wir dürfen nicht unsere Pflicht und unsere Verantwortung für die Bürger der Länder verletzen, die in diesem Gremium (dem Sicherheitsrat; d. Red.) vertreten sind." Powell präsentierte dann dem Sicherheitsrat sein Material über verbotene irakische Rüstungsprojekte, das einen Verstoß Iraks gegen die UNO-Resolution 1441 nachweisen soll. Die Präsentation glich einem Multimedia-Vortrag. Hier ein Überblick über das vorgelegte Material: Abgehörte Telefongespräche Ein Gespräch zwischen zwei irakischen Offizieren, mitgehört am 26. November 2002, einen Tag vor Wiederaufnahme der UNO-Waffenkontrollen im Irak. "Wir haben dieses umgebaute Fahrzeug. Was sollen wir tun, wenn einer von ihnen (den UNO-Inspektoren; d. Red.) es sieht?", fragt einer. "Ich komme morgen vorbei", sagt der andere. "Wir haben alles weggeräumt. Wir haben nichts zurückgelassen", sagt der Erste. Ein Gespräch zwischen einem Beamten der Republikanischen Garde und einem Mitarbeiter, mitgeschnitten am 30. Januar 2003: "Die (UNO-Inspektoren; d. Red.) untersuchen die Munition, die du hast, ob da was Verbotenes dabei ist . . . Wir haben dir gestern eine Mitteilung geschickt, alles zu säubern, die Reste-Ecken und die verlassenen Bereiche. Stell sicher, dass nichts mehr da ist. Denk an die erste Nachricht: Alles evakuieren!" Chemische Waffen Powell zeigte eine Satellitenaufnahme der Munitionsfabrik Taji. Vier der Bunker enthielten chemische Kampfstoffe, sagte er. An den Bunkern seien Warnzeichen. Davor stünden besondere Wachen mit Spezialgerät, um Lecks zu prüfen. Ein Lastwagen vor dem Gebäude enthalte Gegengift im Fall eines Unfalls. Die Bunker seien unmittelbar vor der Ankunft der Inspektoren gereinigt worden. Powell argwöhnt, dass die Iraker Wind von dem bevorstehenden Besuch bekommen hatten. Bagdad versuche alle Kommunikation der Inspektoren abzuhören. Der Irak hat nach US-Schätzung 100 bis 500 Tonnen chemische Kampfstoffe. Biologische Waffen Ein irakischer Chemieingenieur berichtete laut Powell von der Produktion von Biokampfstoffen unter der Nase der früheren UNO-Inspektoren. Die Produktion sei immer von Donnerstagabend bis Freitagabend gelaufen in der Annahme, dass die Inspektoren am islamischen Ruhetag, dem Freitag, nicht unterwegs seien. Der Mann sei inzwischen geflohen. Mehrere Skizzen zeigen mobile Biowaffenlabore. Sie sind nach Angaben von Powell auf Grund technisch präziser Angaben von Überläufern angefertigt worden. Darauf sind Lkw mit Aufliegern zu sehen, die leicht auseinander und zusammengebaut und problemlos abtransportiert werden können. Auf den Lkw sind komplette Produktionsstätten mit Fermentierungsanlagen, Pumpen und Kompressoren für die Herstellung chemischer Kampfstoffe zu sehen. Laut Powell verfügt Bagdad über 18 solcher Lastwagen, die durchs Land fahren und von gewöhnlichen Lkw nur schwer zu unterscheiden sind. Atomare Waffen Der Irak versucht laut Powell seit 1998, sich im Ausland spaltbares Material für den Bau von Atombomben zu beschaffen. Das Regime habe mehrfach versucht, im Ausland Aluminiumröhren zu bestellen, die für Zentrifugen zur Anreicherung von Uran gedacht waren. Er zeigte Fotos solcher Röhren, die beweisen sollen, dass der Irak darüber verfügt. Paläste als Verstecke Saddams Sohn Kusai habe den Abzug aller verbotenen Waffen aus den Palästen seines Vaters angeordnet, sagte Powell. Wissenschaftler hätten Unterlagen in ihren Wohnungen versteckt. In Waffenfabriken seien Computerfestplatten ausgewechselt worden. Im vergangenen Herbst seien Raketenabschussbasen und mit Biowaffen bestückte Gefechtsköpfe aus der Umgebung von Bagdad in den Westen des Landes gebracht worden. Ein von Powell präsentiertes Satellitenfoto vom 10. November 2002 soll den Abtransport ballistischer Raketen aus einer Waffenfabrik zeigen, ein anderes Foto Lastwagen mit aufgebauten Kränen zum Verladen von Raketen an der Waffenfabrik Ibn al Haytham, zwei Tage vor Ankunft der Inspektoren. Anhand einer Karte stellte Powell die unterschiedlichen Reichweiten irakischer Raketen dar; die weiteste reiche bis zu 1200 Kilometer. Verschwundene Wissenschaftler Saddam habe Anfang Dezember 2002 alle Wissenschaftler gezwungen zu unterschreiben, dass sie sich der Todesstrafe bewusst seien, wenn sie den Inspektoren wichtige Informationen enthüllen. Wer sich außerhalb des Landes befragen lasse, werde als Spion behandelt. Die Wissenschaftler seien im November in Ausweichmethoden unterwiesen worden. Für einen Wissenschaftler sei eine falsche Sterbeurkunde ausgestellt worden. Der Mann sei dann versteckt worden. Verbindungen zur Al Kaida Der Irak beherbergt nach Ansicht von Powell ein Terrornetzwerk, das von Abu Mussab el Sarkawi geleitet werde, einem engen Verbündeten von Osama bin Laden. Sarkawi habe im Nordosten des Irak ein Trainingscamp mit Giftlabor eingerichtet. Powell wies ein Foto vor, das die Anlage zeige. Mit Sarkawis Ankunft hätten sich in Bagdad fast zwei Dutzend seiner engsten Gefolgsleute niedergelassen. Sarkawi habe aus dem Irak heraus etwa die Ermordung des US-Diplomaten Foley im Oktober in Jordanien dirigiert. Saddam habe Al Kaida in den 90er- Jahren in Afghanistan durch seine Sicherheitsleute Nachhilfe bei der Dokumentenfälschung gegeben.