Ein Experte warnt: Die Elbauen werden nicht ausreichen, die Wassermassen aufzunehmen.

Hamburg. Mit der unglaublichen Menge von 21 Milliarden Kubikmetern rauscht das Hochwasser elbabwärts. Derzeit fließen an den Städten und Gemeinden in Sachsen Anhalt pro Sekunde etwa 6000 Kubikmeter Wasser vorbei. Die Gewässerkundler setzen jetzt vor allem auf die natürliche Reibung im Flussbett, die sowohl die Fließgeschwindigkeit als auch die Durchflussmenge der Elbe verringert. "Die Hochwasserwelle verflacht. In Torgau waren es noch zwei Wellen, die deutlich hintereinander kamen, in Magdeburg ist es nur noch eine. Die zweite ist auf die erste aufgelaufen. Durch den Untergrund mit Geröll und Sand wird das Wasser gebremst", sagt Thomas Gaumert, Gewässerkundler und Biologe bei der Arge Elbe. Durch diese Reibung im Flussbett würde auch die Durchflussmenge geringer. So werden in Geesthacht nur noch 4000 Kubikmeter pro Sekunde erwartet. "Das wird dann über die Staustufe relativ schnell in die Tideelbe rauschen", sagt Gaumert. Auch auf die niedersächsischen Deiche ist dank ihrer dicken Kleischicht, die besonders wasserundurchlässig ist, offenbar Verlass. Klei ist eine spezielle Tonart, die im Deichbau besonders gern verwendet wird. Fraglich ist allerdings, in wieweit die Deiche im ehemals zur DDR gehörigen Amt Neuhaus dem Wasser standhalten werden. Denn dort wurde damals als Deckmaterial über dem Sandkern nur Lehm eingebaut. An der Elbstaustufe in Geesthacht sind mittlerweile erste Vorbereitungen getroffen worden, die Flutwelle zu regulieren. Üblicherweise wird das Wehr dort so eingestellt, dass oberhalb der Staustufe ein Pegel von vier Metern erreicht wird. In Erwartung der Flutwelle hat man den Pegel auf 3,86 Meter absinken lassen. Uneins sind sich die Experten noch darüber, inwieweit der Elbe-Lübeck-Kanal als Auffangbecken für die Wassermassen dienen kann. Das Wasser-und Schifffahrtsamt möchte die Schleusen zum Kanal gern geschlossen halten, um zu verhindern, dass Treibgut wie Baumstämme oder Autos den Kanal blockieren. Auch Gaumert hält wenig davon, den Kanal als Flutventil zu nutzen. "Die Wasserstraße könnte nur eine begrenzte Menge von der Flut aufnehmen. Das würde nicht viel bringen", sagt er. Nach seiner Auffassung sollte auch nicht allzu viel Hoffnung in das Puffervermögen der Elbtalauen gesetzt werden. Immerhin seien diese Flächen jetzt schon teilweise überflutet. Dort gebe es so genannte Altwasser, über die jetzt die braune Flutwelle hinwegrollen werde. Gaumert: "Wir haben entlang der Elbe noch etwa 14 Prozent der ursprünglichen Ausuferungsflächen. Selbst wenn wir noch 100 Prozent der Auen hätten, würden diese Flächen nicht ausreichen, um diese gewaltigen Wassermassen aufzunehmen", sagt der Wissenschaftler. "Bei einer Elbflut im 16. Jahrhundert gab es bereits ähnlich große Überschwemmungen." Gaumert zweifelt daran, dass Eingriffe wie Flussbegradigungen der entscheidende Grund für das Hochwasser gewesen sind. Er sieht die Ursache eher im meteorologischen Bereich und darin, dass Städte direkt an den Fluss gebaut werden. "Was in unmittelbarer Flussnähe liegt, war schon immer gefährdet."